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Wie interkulturelle Konflikte in Großstädten gelöst werden

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Rund eine Million Euro Förderung für neues Forschungsprojekt 

Durch Migration hat über die Jahrzehnte die Vielfalt an Kulturen in Großstädten zugenom-men. Welche Chancen, Probleme und Konflikte ergeben sich aus dieser Vervielfältigung der Vielfalt? Das erforscht das Verbundprojekt „Neuaushandlung lokaler Ordnungen“. Es untersucht in Dortmund, Bonn und Magdeburg, wie soziale Gruppen in von Migration geprägten Stadtteilen zusammenleben. Das Projekt wird vom Institut für interdisziplinäre Konflikt- und Gewaltforschung der Universität Bielefeld koordiniert. Kooperationspartner sind das Institut für Migrationsforschung und Interkulturelle Studien (IMIS) der Universität Osnabrück und das Berliner Institut für empirische Integrations- und Migrationsforschung (BIM) der Humboldt-Universität Berlin. Das Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend fördert die Forschung bis 2022 mit rund einer Million Euro.

Johannes Ebner, Dr. Jörg Hüttermann und Denis van de Wetering (v.l.) erforschen in dem neuen Projekt, wie soziale Gruppen in von Migration geprägten Stadtteilen Konflikte aushandeln. Foto: Universität Bielefeld/M.-D. Müller
Johannes Ebner, Dr. Jörg Hüttermann und Denis van de Wetering (v.l.) erforschen in dem neuen Projekt, wie soziale Gruppen in von Migration geprägten Stadtteilen Konflikte aushandeln. Foto: Universität Bielefeld/M.-D. Müller
In der jüngsten Geschichte der Bundesrepublik gab es zwei Migrationsbewegungen: die der Gastarbeitenden und die der Geflüchteten. „Durch diese neuen Einwohner*innen ist insbesondere in den Städten die Anzahl an interkulturellen Begegnungen stark angestiegen und es gibt mehr kulturell unterschiedliche Gruppen im öffentlichen Raum“, sagt Dr. Jörg Hüttermann vom Institut für interdisziplinäre Konflikt- und Gewaltforschung (IKG). „Es sind neue Formen von interkulturellem Miteinander entstanden. Die kulturelle Vielfalt in Schulen und Unternehmen und weiteren Organisationen nimmt zu“, erklärt der Migrationssoziologe.

Jörg Hüttermann ist fachlicher Leiter des neuen Projekts „Neuaushandlung lokaler Ordnungen“, das er mit seinen Kollegen Johannes Ebner und Denis van de Wetering initiiert hat. „Als Ballungszentren spielen Städte mit Blick auf interkulturelle Begegnungen eine besondere Rolle“, sagt Hüttermann. „In den Stadtquartieren leben Menschen in einer hohen Dichte zusammen – entsprechend hoch ist die Dichte der interkulturellen Begegnungen und Konfrontationen.“

Ob Sprache, politische Ansichten oder die Art und Weise, wie Religion ausgelebt wird: „Mit neu hinzukommenden Menschen gelangen neue Überzeugungen und Werteorientierungen in die Gesellschaft“, sagt Denis van de Wetering, Konfliktforscher am IMIS der Universität Osnabrück und assoziierter Wissenschaftler am IKG der Universität Bielefeld. „Dadurch werden etablierte Vorstellungen mit den neuen Vorstellungen konfrontiert. Wir gehen im Projekt der Frage nach, wie die damit verbundenen Konflikte gelöst werden.“ 

Wird ein Konflikt destruktiv ausgetragen, kann es unter anderem zu verbaler oder physischer Gewalt gegen Personen kommen. Werden die Konflikte konstruktiv gelöst, kann das dazu führen, dass sich kulturell unterschiedliche Gruppen einander angleichen oder sich miteinander arrangieren. „Das zeigt sich zum Beispiel dann, wenn Menschen mit Migrationshintergrund in politischen Gremien vertreten sind, wenn Schulen auch Unterricht in der Muttersprache eingewanderter Gruppen anbieten, aber auch wenn Probleme in der Nachbarschaft geklärt werden“, erklärt der Soziologe Johannes Ebner vom Institut für interdisziplinäre Konflikt- und Gewaltforschung. 

„Wir wollen in unserem Projekt Maßnahmen entwickeln, mit denen sich der Zusammenhalt in den Quartieren stärken lässt. Deshalb wollen wir herausfinden, wie die beteiligten Gruppen ihre interkulturellen Konfrontationen lösen und welche Rahmenbedingungen darauf einwirken“, sagt Denis van de Wetering. Einen ersten Ansatz zur Verbesserung des Zusammenhalts haben die Forschenden bereits gefunden: „Vorstudien zum neuen Projekt weisen darauf hin, dass das interkulturelle Zusammenleben in Städten stark von staatlichen und behördlichen Maßnahmen beeinflusst wird“, sagt Jörg Hüttermann. „Es zeigt sich allerdings, dass in der Planung solcher Maßnahmen momentan kaum die Perspektive der betroffenen Migrant*innen berücksichtigt wird. Sie stellen einen möglichen Ansatzpunkt dar, um das interkulturelle Miteinander zu verbessern.“ 

Ziel der Forschenden ist es, zu ermitteln, wie Gruppen ihre Konfrontationen in Städten selbstständig aushandeln. „Wenn wir verstehen, welche Faktoren die Aushandlungen positiv beeinflussen, können diese künftig in der Stadtplanung berücksichtigt werden“, sagt der Konfliktforscher van de Wetering. Dafür konzentrieren sich die Wissenschaftler*innen vor allem auf zwei Schwerpunkte: Sie untersuchen die städtische Wohnsituation von Migrant*innen und sie erheben, wie stark die kulturelle Vielfalt in den untersuchten Stadtquartieren ausgeprägt ist. Um die Lebenswelten der Stadtteilbewohner*innen zu erforschen, greifen die Forschenden auf ethnographische Methoden zurück. Für ihre Analyse vergleichen sie von Migration geprägte Stadtteile in Dortmund, Bonn und Magdeburg. 

Der vollständige Titel des Forschungsprojekts ist „Neuaushandlung lokaler Ordnungen: Migrations-induzierte Vielfalt, Intergruppenbeziehungen, Konflikte und Integrationsdynamiken im Stadtteil“. Das Projekt gehört zum Forschungsschwerpunkt Migration und Sozialer Raum der Forschungsgemeinschaft des Deutschen Zentrums für Integrations- und Migrationsforschung (DeZIM).  

Weitere Informationen:
Steckbrief zum Projekt

Kontakt:
Dr. Jörg Hüttermann, Universität Bielefeld
Institut für interdisziplinäre Konflikt- und Gewaltforschung (IKG)
Telefon: 0521 106-12966
E-Mail: joerg.huettermann@uni-bielefeld.de 


Die unterschätzte Dynamik der Vormoderne (Nr. 4/2021)

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Internationale Online-Tagung am Zentrum für interdisziplinäre Forschung

Bevor die Weltgeschichte in der Moderne Fahrt aufnahm und sich das Leben immer schneller wandelte, gab es eine lange Phase, in der sich nichts veränderte: Das ist die gängige Interpretation der sogenannten Vormoderne, der Zeit zwischen dem Mittelalter und etwa dem Jahr 1700. Bei der Online-Tagung „Veränderung aus sich selbst heraus – Eigendynamik in vormodernen Gesellschaften“, die vom 28. bis zum 30. Januar stattfindet, nehmen Forschende diese Sicht kritisch unter die Lupe. Ihre These: Statt eines Stillstandes hat eine ganz eigene, in den gesellschaftlichen Strukturen selbst angelegte Dynamik die Vormoderne geprägt. 

Auch Gesellschaften in vormoderner Zeit haben sich fortwährend gewandelt. Um die Besonderheiten des damaligen Wandels geht es jetzt bei einer Online-Tagung. Einer der Leiter ist Prof. Dr. Franz-Josef Arlinghaus von der Abteilung Geschichtswissenschaft.Foto: Universität Bielefeld/P. Ottendörfer
Auch Gesellschaften in vormoderner Zeit haben sich fortwährend gewandelt. Um die Besonderheiten des damaligen Wandels geht es jetzt bei einer Online-Tagung. Einer der Leiter ist Prof. Dr. Franz-Josef Arlinghaus von der Abteilung Geschichtswissenschaft. Foto: Universität Bielefeld/P. Ottendörfer
„Die vormodernen Gesellschaften weisen weltweit Elemente auf, die aus sich heraus für ständigen Wandel sorgten“, so der Historiker Professor Dr. Franz-Josef Arlinghaus von der Universität Bielefeld, der die Konferenz mit seinem Fachkollegen Professor Dr. Andreas Rüther (ebenfalls Universität Bielefeld) und dem Japanologen Professor Dr. Jörg B. Quenzer (Universität Hamburg) leitet. 

Anders als der rasche Wandel in der Moderne, habe sich der vormoderne Wandel auf eine spezifische Weise vollzogen und dazu geführt, dass die Gesellschaften komplexer wurden, sagt Arlinghaus. In diesem Prozess habe sich die hierarchische Ordnung der Ständegesellschaft fortwährend neu austariert und die Abgrenzung zwischen Familien- und Personenverbänden, etwa den Zünften, sei immer wieder neu gezogen worden. „Dies alles fand weitgehend unter den Bedingungen einer Präsenzgesellschaft statt, die zwar Schrift und Druck kannte, aber in anderer Weise nutzte als heute“, so der Historiker. Diese Prozesse führten dann zur Neubildung von Gruppierungen und Ständen und zu immer raffinierteren Formen der Grenzziehung zwischen ihnen, erklärt Arlinghaus. Der Historiker befasst sich auch in dem Sonderforschungsbereich „Praktiken des Vergleichens“ (SFB 1288) mit der Vormoderne und untersucht, wie sich Menschen als Individuen ab dem 11. Jahrhundert mit anderen Menschen verglichen haben.

Die Eigendynamik der Vormoderne sei auch ein Merkmal, das ganz unterschiedliche Gesellschaften weltweit in dieser langen Epoche verbinde. Nach 1700 habe es dann eine vergleichsweise rasche Umgestaltung zur Moderne gegeben. „Es geht nicht darum, die Vorgeschichte der Moderne zu schreiben, sondern darum, den ganz eigenen Wandel in der Vormoderne zu analysieren“, sagt Andreas Rüther. „Das würde auch ein neues Licht auf das Verhältnis von Moderne und Vormoderne werfen.“

Auf der Tagung diskutieren Expert*innen, die zum vormodernen Äthiopien, China, Indien, Japan, Korea und Mitteleuropa arbeiten, über diesen neuen Ansatz.

Für Interessierte ist eine Teilnahme an der Online-Tagung möglich. Dafür ist eine Anmeldung im ZiF-Tagungsbüro bei trixi.valentin@uni-bielefeld.de erforderlich. Journalist*innen sind herzlich eingeladen, über die Tagung zu berichten. Die Tagungssprache ist Englisch.

Weitere Informationen:
Website der Tagung

Kontakt:
Prof. Dr. Franz-Josef Arlinghaus, Universität Bielefeld
Fakultät für Geschichtswissenschaft, Philosophie und Theologie
E-Mail: franz.arlinghaus@uni-bielefeld.de
Telefon: 0521 106-3260 

Land genehmigt Modellstudiengang Humanmedizin

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Wesentlicher Meilenstein bei der Gründung der Medizinischen Fakultät OWL erreicht

Das Ministerium für Arbeit, Gesundheit und Soziales und das Ministerium für Kultur und Wissenschaft teilen mit:


Beim Aufbau der neuen Medizinischen Fakultät Ostwestfalen-Lippe (OWL) ist ein weiterer Meilenstein erreicht worden: Die Landesregierung hat den medizinischen Studiengang am Standort Bielefeld genehmigt. „Mit der Genehmigung des Studiengangs Humanmedizin kommt der Aufbau der Medizinischen Fakultät OWL an der Universität Bielefeld einen entscheidenden Schritt voran: Bereits zum Wintersemester 2021/2022 können nun die ersten 60 Studierenden ihr Studium beginnen. Sie können sich auf ein modernes Medizinstudium in Ostwestfalen-Lippe freuen, in dem ein frühzeitiger Praxisbezug eine große Rolle spielen wird“, sagt Wissenschaftsministerin Isabel Pfeiffer-Poensgen.

Gesundheitsminister Karl-Josef Laumann ergänzt: „Der neue Modellstudiengang wird vor allem eine allgemeinmedizinische Ausbildung im Fokus haben. Unser Ziel ist, die Studierenden für das Berufsbild des ‚Hausarztes‘ zu begeistern. Und wenn wir über den sogenannten ‚Klebeeffekt‘ die hausärztliche Versorgung – insbesondere in der Region stärken – freut es mich umso mehr.“

Der Rektor der Universität Bielefeld, Gerhard Sagerer: “Wir freuen uns sehr über die zügige Genehmigung des Studiengangs, mit dem wir neue Akzente in der Ausbildung von Mediziner*innen setzen können. Schon jetzt erwarten wir gespannt die ersten Studierenden, die bei uns eine zukunftsgewandte Ausbildung mit vielen Wahloptionen und hoher Praxisorientierung absolvieren können. Der Studiengang Medizin ist eine Bereicherung für Forschung und Lehre und das Campus-Leben der Universität Bielefeld.”

Die Genehmigung ist eine zentrale rechtliche Grundlage für die Einrichtung des Studienganges Medizin an der Medizinischen Fakultät der Universität Bielefeld in Ostwestfalen-Lippe als Modellstudiengang. Im Rahmen des Modellstudiengangs, mit dem innovative Ausbildungs-konzepte zur Verbesserung der ärztlichen Ausbildung erprobt werden können. So können be-reits vor Inkrafttreten der reformierten Ärztlichen Approbationsordnung eine frühzeitige Verknüpfung von wissenschaftlichen und praktischen Lehrinhalten sowie eine Stärkung der wissenschaftlichen Ausbildung im Studium erfolgen. Auch der Bereich der Allgemeinmedizin und der ambulanten Medizin kann auf diese Weise sinnvoll gestärkt werden und die Studierenden sind vom ersten Semester an eng in die ambulante und stationäre Versorgung in der Stadt und im ländlichen Raum eingebunden.

Hintergrund
Im Sommer 2017 hat die Landesregierung die Gründung der Medizinischen Fakultät in Ost-westfalen-Lippe der Universität Bielefeld in Bielefeld beschlossen. Seitdem hat die Universität Bielefeld im engen Austausch mit den Ministerien für Kultur und Wissenschaft sowie Arbeit, Gesundheit und Soziales ein entsprechendes Studiengangkonzept erarbeitet. Die Errichtung der Medizinischen Fakultät OWL an der Universität Bielefeld ist eine der zentralen Maßnah-men der Landesregierung, um die Zahl der ausgebildeten Medizinerinnen und Mediziner zu erhöhen und langfristig die ärztliche Versorgung auf dem Land zu verbessern. Der Studienbetrieb soll im Wintersemester 2021/2022 mit 60 Studienplätzen starten. Im Endausbau (ab 2025) sollen dann circa 300 Studierende pro Jahr an der Universität Bielefeld ihr Medizinstudium beginnen.

Bei Nachfragen wenden Sie sich bitte an die Pressestelle des Ministeriums für Arbeit, Gesundheit und Soziales, Telefon 0211 855-3118, oder die Pressestelle des Ministeriums für Kultur und Wissenschaft, Telefon 0211 896 4790.

Mehrheit zweifelt daran, ob Informationen über Krankheiten in Medien vertrauenswürdig sind (Nr. 5/2021)

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Studien aus Bielefeld und Berlin analysieren Gesundheitskompetenz

Wie kompetent ist die deutsche Bevölkerung, wenn es um den Umgang mit Informationen zur Gesundheit geht? Für das Pandemiejahr 2020 belegt eine repräsentative Studie, in die mehr als 2.000 Personen im Alter ab 18 Jahren einbezogen waren: Große Teile der Bevölkerung sind nicht ausreichend vorbereitet, um Gesundheitsrisiken richtig einzuschätzen, zu beurteilen und im Alltag umzusetzen. „Ein Vergleich unserer Erhebungen zwischen 2014 und 2020 zeigt, dass sich die Gesundheitskompetenz sogar noch verschlechtert hat“, sagt die Studienleiterin Professorin Dr. Doris Schaeffer von der Universität Bielefeld. Klagten 2014 etwa 54 Prozent der Befragten über große Schwierigkeiten, sich im unüberschaubaren Angebot von Gesundheitsinformationen zu orientieren, so waren es 2020 schon fast 60 Prozent. Für die Forschung kooperieren die Universität Bielefeld und die Hertie School in Berlin. 

„Der Grund für den Anstieg liegt nach den Angaben der Befragten in der Menge, Vielfalt und auch Widersprüchlichkeit der Informationen“, sagt Doris Schaeffer. „Hinzu kommt, dass auch Falsch- und Fehlinformationen zu Gesundheitsthemen zugenommen haben, wie wir seit der Coronapandemie besonders intensiv beobachten können“. Drei Viertel der Befragten finden es schwierig, Gesundheitsinformationen richtig einzuschätzen. Dabei spielt zunehmend die Frage eine Rolle, ob die Informationen durch kommerzielle Interessen geprägt und zuverlässig sind. 76 Prozent halten es beispielsweise für schwierig zu beurteilen, ob Informationen zu Krankheiten in den Medien vertrauenswürdig sind. 61 Prozent der Befragten fühlen sich überfordert, Informationen aus den Medien abzulesen, um sich vor Krankheiten zu schützen. 56 Prozent tun sich damit schwer, Informationen zu finden, wie man mit psychischen Problemen umgeht. 

Prof’in Dr. Doris Schaeffer (Universität Bielefeld) und Prof. Dr. Klaus Hurrelmann (Hertie School, Berlin) erheben in Langzeitstudien, wie sich die Gesundheitskompetenz der Bevölkerung in Deutschland entwickelt. Foto links: Steffen Roth, Foto rechts: Hertie School
Prof’in Dr. Doris Schaeffer (Universität Bielefeld) und Prof. Dr. Klaus Hurrelmann (Hertie School, Berlin) erheben in Langzeitstudien, wie sich die Gesundheitskompetenz der Bevölkerung in Deutschland entwickelt. Foto links: Steffen Roth, Foto rechts: Hertie School
Die Schwierigkeiten spitzen sich zu, wenn Menschen nur über einen niedrigen Bildungsgrad verfügen. „Gesundheitsinformationen sind inzwischen offenbar so vielfältig und unübersichtlich geworden, dass da nur noch Menschen mit einer guten Ausbildung durchblicken können. Hier baut sich eine neue Form von gesundheitlicher Ungleichheit auf“, sagt Professor Dr. Hurrelmann von der Hertie School. Diese Entwicklung sei auch deshalb ernst zu nehmen, weil eine geringe Gesundheitskompetenz viele negative Folgen habe. Sie sei mit ungesundem Verhalten wie geringer Bewegung, schlechter Ernährung und häufigerem Übergewicht verbunden, ebenso mit mehr Arztbesuchen, Krankenhausaufenthalten und intensiverer Nutzung von Notfalldiensten.  

Durchgeführt wurden die Untersuchungen unter der Leitung von Doris Schaeffer vom Interdisziplinären Zentrum für Gesundheitskompetenzforschung (IZGK) der Universität Bielefeld in Kooperation mit dem Arbeitsbereich Public Health der Hertie School in Berlin unter der Leitung von Klaus Hurrelmann. Mit Hilfe eines ausführlichen Fragekataloges wurde die Gesundheitskompetenz der Bevölkerung in Deutschland durch repräsentative Erhebungen bei 2.151 über 18-jährigen Menschen eingeschätzt. Diese Daten wurden mit der ersten Erhebung aus dem Jahr 2014 verglichen. Um die Auswirkungen der Coronapandemie zu erfassen, folgte im Herbst 2020 eine Zusatzerhebung mit 532 Personen. Die Erhebungen wurden von den Forschungsinstituten Ipsos und Institut für Demoskopie Allensbach durchgeführt und vom Ministerium für Justiz und für den Verbraucherschutz und vom Bundesministerium für Gesundheit (BMG) gefördert.  

Schub für Umgang mit digitalen Gesundheitsinformationen infolge der Pandemie
Erstmals wurde auch die digitale Gesundheitskompetenz der Bevölkerung untersucht. „Die digitale Gesundheitskompetenz wird zunehmend wichtig – auch angesichts der jetzt umzusetzenden Digitalisierungsgesetze“, so Schaeffer und Hurrelmann. „Auffällig ist, dass die digitale Gesundheitskompetenz sehr schwach ausgeprägt ist – das belegt unsere Studie deutlich.“ Rund 75 Prozent der Befragten weisen hier eine geringe Kompetenz auf und sehen sich vor enorme Schwierigkeiten im Umgang mit digitaler Information gestellt. Das zeigt sich auch daran, dass digitale Informationsmöglichkeiten nur sehr zurückhaltend genutzt werden. 36 Prozent der Befragten greifen nie auf sie zurück. Das gilt besonders für Menschen über 65 Jahre. „Während der Coronapandemie hat die Bevölkerung offenbar im Schnellverfahren gelernt, besser mit digitalen Gesundheitsinformationen umzugehen“, so die Studienleiter. 

Um sich um die eigene Gesundheit kümmern zu können, müssen sich Menschen im Gesundheitssystem zurechtfinden. Das wird vom Forscherteam als „navigationale Gesundheitskompetenz“ bezeichnet. Nahezu vier Fünftel der Bevölkerung haben in diesem Bereich eine geringe Gesundheitskompetenz und finden es schwierig, Informationen zum Gesundheitssystem zu verstehen. Doris Schaeffer: „Eine solche Unübersichtlichkeit ist gerade in einer Pandemie problematisch, wenn Menschen zum Beispiel klären wollen, wo sie sich auf eine Infektion testen lassen können.“ 
 
Mit der Zusatzerhebung im Spätherbst 2020 erfasste das Forschungsteam Veränderungen der Gesundheitskompetenz während der Pandemie. Die Befragung zeigt, dass die Gesundheitskompetenz der Bevölkerung sich seither leicht verbessert hat. „Am Beispiel der Coronapandemie wird sichtbar, dass umfangreiche, verständliche und wiederholte Gesundheitsinformationen sich rasch auf die Gesundheitskompetenz der Bevölkerung auswirken“, so Doris Schaeffer. 

Originalveröffentlichungen: 
  • Doris Schaeffer, Eva-Maria Berens, Svea Gille, Lennert Griese, Julia Klinger, Steffen de Sombre, Dominique Vogt, Klaus Hurrelmann: Gesundheitskompetenz der Bevölkerung in Deutschland vor und während der Corona Pandemie: Ergebnisse des HLS-GER 2. Bielefeld: Interdisziplinäres Zentrum für Gesundheitskompetenzforschung (IZGK), Universität Bielefeld,  https://doi.org/10.4119/unibi/2950305
  • Klaus Hurrelmann, Julia Klinger, Doris Schaeffer (2020): Gesundheitskompetenz der Bevölkerung in Deutschland. Vergleich der Erhebungen 2014 und 2020. Bielefeld: Interdisziplinäres Zentrum für Gesundheitskompetenzforschung (IZGK), Universität Bielefeld, https://doi.org/10.4119/unibi/2950303 

Kontakt:
Prof’in Dr. Doris Schaeffer, Universität Bielefeld 
Interdisziplinäres Zentrum für Gesundheitskompetenzforschung (IZGK)
Telefon: 0521 106-4669

Universität Bielefeld kauft Gebäude für die Medizinische Fakultät OWL (Nr. 89/2020)

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Die ersten Professor*innen sind eingezogen

Die Universität Bielefeld hat ein Büro- und Laborgebäude von der BGW Bielefelder Gesellschaft für Wohnen und Immobiliendienstleistungen mbH und der Innovationszentrum Campus Bielefeld GmbH gekauft. Seit 1. Dezember ist die Universität Bielefeld offizielle Besitzerin des Gebäudes. Es wurde bereits seit 2018 hauptsächlich von der Medizinischen Fakultät OWL genutzt. Das zuvor als ICB bekannte Gebäude heißt jetzt R.1, gemäß der neuen Logik der Medizingebäudenamen an der Morgenbreede und Konsequenz.

Das Gebäude an der Morgenbreede, Ecke Voltmann-straße, gehört jetzt der Universität. In Zukunft heißt das Gebäude R.1. Foto: Universität Bielefeld
Das Gebäude an der Morgenbreede, Ecke Voltmann-straße, gehört jetzt der Universität. In Zukunft heißt das Gebäude R.1. Foto: Universität Bielefeld
Dr. Stephan Becker, der Kanzler der Universität: „Die Universität ist Stadt und BGW dankbar, dass wir schnell und unkompliziert eine nachhaltige Lösung für den ersten größeren Raumbedarf der schnell wachsenden Medizinischen Fakultät gefunden haben. Das Gebäude bietet mit seinen Laboren und Büros alles, was die Fakultät aktuell benötigt. Ein glücklicher Umstand für den ambitionierten Aufbauprozess.“

Sabine Kubitza, Geschäftsführerin der BGW: „Wir freuen uns, dass wir durch den Verkauf des ICB dazu beitragen konnten, die räumlichen Voraussetzungen für den Start der Medizinischen Fakultät zu schaffen und somit einen kleinen Beitrag für die Sicherstellung der ärztlichen Versorgung in OWL leisten können.“

Die Landesregierung Nordrhein-Westfalen hatte im Sommer 2017 die Gründung der Medizinischen Fakultät Ostwestfalen-Lippe in Bielefeld beschlossen. Bereits im November 2018 konnte die Universität das sich noch im Bau befindliche Gebäude teilweise mieten. Im Juli 2019 wurde das ICB offiziell eröffnet.

Das Gebäude an der Morgenbreede, Ecke Voltmannstraße fällt architektonisch durch die abgerundete Ecke auf. Das vierstöckige Gebäude mit Tiefgarage hat 7.144 Quadratmeter Hauptnutzfläche, etwa die Hälfte sind Büros, die andere Hälfte Labore. Es besteht aus vier Gebäudeteilen mit einem zentralen Empfang.

Aktuell nutzt die Medizinische Fakultät das Gebäude. Neben der Fakultätsverwaltung haben die ersten berufenen Professor*innen die Räumlichkeiten bereits bezogen, Forschungsflächen werden derzeit ausgestattet. In Zukunft werden in dem Gebäude, neben Büros und Forschungsflächen, auch ein Studierendenhospital zur Erlernung praktischer Fähigkeiten im Studium, Praktikumsflächen für Medizinstudierende und weitere Seminarräume eingerichtet.

Weitere Informationen:

Verborgenes Wissen heben, um Ökovielfalt der Meere zu retten

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Universität Bielefeld an innovativer Forschungskooperation beteiligt 

Den Schutz der Lebensräume und der Artenvielfalt in den Meeren und an den Küsten in Zukunft effizienter gestalten: Ein neues Verbundprojekt forscht an den Grundlagen dafür. In dem Projekt arbeiten Wissenschaftler*innen aus der Ökonomie und der Ökologie zusammen. Sie beschäftigen sich mit der Frage, wie bessere Entscheidungen im Umwelt- und Artenschutz gefällt werden können, auch unter den Bedingungen von Unsicherheit und unvollständigen Informationen. Für das Forschungsprojekt „Value of Information“ (Informationswerte) kooperiert die Universität Bielefeld mit dem Helmholtz-Institut für Funktionelle Marine Biodiversität an der Universität Oldenburg (HIFMB). 

„Der Umwelt- und Artenschutz gehören zu den zentralen Herausforderungen der heutigen Zeit“, sagt Privatdozent Dr. Thorsten Upmann. Der Wirtschaftswissenschaftler forscht sowohl an der Universität Bielefeld als auch am HIFMB und leitet das neue Projekt. „Um die Erderwärmung zu begrenzen und Tier- und Pflanzenarten zu schützen, ist rasches Handeln erforderlich – auf Basis wissenschaftlicher Daten“, sagt Upmann. Um beispielsweise gefährdete Tierarten schützen zu können, ist es nötig, den Lebensraum der jeweiligen Population genau zu kennen und die Zusammenhänge innerhalb dieses Ökosystems zu verstehen. Die Forschung und Datengewinnung ist gerade im Kontext mariner Lebensräume sehr kosten- und zeitintensiv. „Durch den voranschreitenden Klimawandel und das Artensterben steht die Suche nach den besten Lösungen zusätzlich unter Zeitdruck“, sagt Upmann. An dieser Stelle setzt das neue Forschungsprojekt an.  

Die richtigen Informationen für zielführende Entscheidungen
Täglich fällen Menschen Entscheidungen. Dabei ist der Ablauf bei den meisten Personen wahrscheinlich ähnlich: Eine Person informiert sich, vergleicht und fragt andere Personen nach ihrer Erfahrung oder Meinung. Anschließend wägt sie die gewonnenen Informationen ab und fällt eine Entscheidung. „Die Frage, welche Informationen als Grundlage für die Entscheidung zur Verfügung stehen, ist für den Entscheidungsprozess von zentraler Bedeutung“, erklärt Thorsten Upmann. Oft fehlen im Alltag jedoch relevante Informationen. Das kann am Zeitdruck liegen oder daran, dass Informationen zunächst nicht verfügbar sind. 

Ökosysteme in den Meeren sind komplexe Systeme von Lebewesen
Trotz solcher Beschränkungen treffen Menschen Entscheidungen auf Basis der Informationen und der Wissenslücken, die zum jeweiligen Zeitpunkt bestehen. „Beim Schutz der marinen Biodiversität – also der biologischen Vielfalt in den Meeren und an den Küsten – ist die Situation ähnlich“, sagt Thorsten Upmann. „Wissenschaftler*innen, die die dortigen Ökosysteme erforschen, haben es mit komplexen Systeme zu tun, in denen es zu vielseitigen Wechselwirkungen kommt. Die Forschung kann lediglich eine Momentaufnahme in solch einem dynamischen System festhalten. Die Beobachtungen und damit die gewonnen Daten sind also immer selektiv und unvollständig." Zusätzlich sei die Forschung zu den Ökosystemen langwierig und aufwändig. Deswegen könne lediglich eine Auswahl von Forschungsprojekten realisiert werden. 

Doch welche Wissenslücken müssen gefüllt werden, um sinnvolle Entscheidungen im Umwelt- und Artenschutz fällen zu können? Welche Forschungsprojekte sind am geeignetsten, um diese Lücken zu füllen? Und in welchen Fällen ist schon genug Wissen vorhanden, um erfolgsversprechende Maßnahmen in der Politik einzuleiten? „Unser Projekt soll dazu beitragen, zielführende Entscheidungen trotz Ungewissheit treffen zu können“, sagt Upmann. Dazu arbeiten Forschende sowohl mit den Methoden der Datenwissenschaft als auch der Modellierung. Durch die Datenwissenschaft können die Forschenden große Datenmengen automatisiert auswerten, während sie durch die Modellierung der Daten die chancenreichsten Maßnahmen zum Schutz der natürlichen Lebensräume und der Artenvielfalt ableiten können. „Auf diese Weise können wir zum Beispiel ermitteln, zu welchen gefährdeten Tierarten umfassend geforscht werden sollte.“

Handlungsempfehlungen für den Schutz der Arten
Thorsten Upmann forscht als Ökonom schon seit Jahren dazu, wie sich die Akteur*innen in einem Wirtschaftssystem regional oder überregional gegenseitig beeinflussen. „Auf die gleiche Art können wir auch modellieren, wie die Lebewesen in maritimen Regionen miteinander interagieren.“ So profitieren die Umweltwissenschaften von den Wirtschaftswissenschaften. In dem Projekt erstellen die Forschenden Modelle, mit denen sie etwa nachvollziehbar machen, wie Pflanzen- und Tierpopulationen in einem bestimmten Küstengebiet zusammenhängen. Aus solchen Modellen der marinen Biodiversität lassen sich Handlungsempfehlungen für den Schutz der jeweiligen Arten ableiten.

Das Projekt „Value of Information“ läuft von Januar 2021 bis Dezember 2023. Auf lange Sicht hoffen die beteiligten Wirtschafts- und Umweltwissenschaftler*innen, ihre Forschung zur marinen Biodiversität auch auf andere Bereiche des Naturschutzes und der Biodiversität ausweiten zu können. Mit dem Projekt startet eine langfristige Zusammenarbeit der Fakultät für Wirtschaftswissenschaften der Universität Bielefeld mit der Universität Oldenburg sowie dem Helmholtz-Instituts für Funktionelle Marine Biodiversität an der Universität Oldenburg (HIFMB). Die Kooperation soll die Stärken beider Partner verbinden: die Expertise der Bielefelder Forschenden in der Modellierung und den Datenwissenschaften mit der Expertise der Forschenden in Oldenburg in der Ökologie, dem Ökosystemmanagement und dem Schutz mariner Lebensräume. 

Weitere Informationen: 
Steckbrief des Projekts „Value of Information“

Kontakt:
PD Dr. Thorsten Upmann, Universität Bielefeld
Fakultät für Wirtschaftswissenschaften
Telefon: 0521 106-4862
E-Mail: tupmann@wiwi.uni-bielefeld.de

Wie die Zelle das Virus bindet: SARS-CoV-2 erstmals unter dem Heliumionen-Mikroskop (Nr. 7/2021)

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Bielefelder Forschende liefern 3D-Aufnahmen von Coronaviren

Wissenschaftler*innen der Fakultät für Physik der Universität Bielefeld ist es erstmals gelungen, das Coronavirus SARS-CoV-2 mit einem Heliumionen-Mikroskop abzubilden. Im Gegensatz zur herkömmlicheren Elektronenmikroskopie müssen die Proben bei der Heliumionen-Mikroskopie nicht mit einer dünnen Metallschicht überzogen werden. Dadurch lassen sich Interaktionen zwischen den Coronaviren und ihrer Wirtszelle besonders gut beobachten. Ihre Ergebnisse, die in Kooperation mit Forschenden der Justus-Liebig-Universität Gießen und des Klinikums Bielefeld entstanden sind, haben die Wissenschaftler*innen am heutigen Dienstag (02.02.2021) im Fachmagazin Beilstein Journal of Nanotechnology veröffentlicht.

Prof. Dr. Armin Gölzhäuser und Dr. Natalie Frese von der Fakultät Physik haben SARS-CoV-2 mit dem Heliumionen-Mikroskop untersucht. Foto links: Universität Bielefeld/M.-D. Müller, Foto rechts: Thomas Popien
Prof. Dr. Armin Gölzhäuser und Dr. Natalie Frese von der Fakultät Physik haben SARS-CoV-2 mit dem Heliumionen-Mikroskop untersucht. Foto links: Universität Bielefeld/Mike-Dennis Müller, Foto rechts: Thomas Popien
„Die Studie zeigt, dass das Heliumionen-Mikroskop geeignet ist, um Coronaviren abzubilden – und zwar so genau, dass sich das Zusammenspiel von Viren und Wirtszelle beobachten lässt“, sagt die Physikerin Dr. Natalie Frese. Sie ist Erstautorin der Studie und forscht in der Arbeitsgruppe „Physik supramolekularer Systeme und Oberflächen“ an der Fakultät für Physik. 

Coronaviren sind winzig klein – im Durchmesser nur etwa 100 Nanometer, also 100 Milliardstel Meter. Mit dem Virus infizierte Zellen wurden bisher vor allem mit Rasterelektronenmikroskopen untersucht. Dabei rastert ein Elektronenstrahl die Zelle ab und liefert ein Bild der Oberflächenstruktur der mit Viren besetzten Zelle. Rasterelektronenmikroskope haben jedoch einen Nachteil: Die Probe lädt sich während des Mikroskopievorgangs elektrostatisch auf. Weil die Ladungen bei nichtleitenden Proben, zum Beispiel Viren oder anderen biologischen Organismen, nicht abtransportiert werden, müssen die Proben mit einer elektrisch leitfähigen Beschichtung, etwa einer dünnen Goldschicht, überzogen werden.

„Diese leitende Schicht verändert allerdings auch die Oberflächenstruktur der Probe. Die Heliumionen-Mikroskopie benötigt keine Beschichtung und erlaubt daher ein direktes Abtasten“, sagt Professor Dr. Armin Gölzhäuser, der die Arbeitsgruppe „Physik supramolekularer Systeme und Oberflächen“ leitet. Beim Heliumionen-Mikroskop rastert ein Strahl aus Heliumionen die Oberfläche der Probe ab. Heliumionen sind Heliumatome, denen jeweils ein Elektron fehlt – sie sind also positiv geladen. Der Ionenstrahl lädt die Probe ebenfalls elektrostatisch auf, dies kann jedoch ausgeglichen werden, indem die Probe zusätzlich mit Elektronen bestrahlt wird. Zudem besitzt das Heliumionen-Mikroskop eine höhere Auflösung und eine größere Schärfentiefe.

In ihrer Studie haben die Wissenschaftler*innen Zellen, die künstlich aus dem Nierengewebe einer Affenart gewonnen werden, mit SARS-CoV-2 infiziert und im toten Zustand mikroskopiert. „Unsere Aufnahmen ermöglichen einen direkten Blick auf die 3D-Oberfläche der Coronaviren und der Nierenzelle – mit einer Auflösung im Bereich weniger Nanometer“, sagt Frese. Dadurch konnten die Forschenden Interaktionen zwischen den Viren und der Nierenzelle sichtbar machen. Ihre Studienergebnisse weisen etwa darauf hin, dass sich mit dem Heliumionen-Mikroskop beobachten lässt, ob einzelne Coronaviren nur auf der Zelle aufliegen oder an sie gebunden sind. Das ist wichtig, um Abwehrstrategien gegen das Virus zu verstehen: Eine infizierte Zelle kann die Viren, die sich in ihrem Inneren bereits vermehrt haben, beim Austritt an ihre Zellmembran binden und so verhindern, dass sie sich weiter ausbreiten.

„Die Heliumionen-Mikroskopie eignet sich sehr gut, um die Abwehrmechanismen der Zelle darzustellen, die sich an der Zellmembran abspielen“, sagt auch der Virologe Professor Dr. Friedemann Weber. Er forscht an der Justus-Liebig-Universität Gießen zu SARS-CoV-2 und hat für die Studie mit den Bielefelder Forschenden zusammengearbeitet. Professor Dr. Holger Sudhoff, Chefarzt der Klinik für Hals-Nasen-Ohrenheilkunde, Kopf- und Halschirurgie am Klinikum Bielefeld, ergänzt: „Das Verfahren ist eine wesentliche Verbesserung, um das SARS-CoV-2-Virus in Wechselwirkung mit der infizierten Zelle abzubilden. Die Heliumionen-Mikroskopie kann dabei helfen, das Infektionsgeschehen bei Covid-19-Erkrankten besser zu verstehen.“

Die Heliumionen-Mikroskopie ist eine vergleichsweise neue Technologie. Im Jahr 2010 hat die Universität Bielefeld als erste deutsche Universität ein Heliumionen-Mikroskop angeschafft, das vor allem in der Nanotechnologie eingesetzt wird. Zur Untersuchung biologischer Proben wird die Heliumionen-Technologie weltweit noch selten eingesetzt. „Unsere Studie zeigt, dass es hier ein großes Potenzial gibt“, sagt Gölzhäuser. Die Studie erscheint in einer Sonderausgabe des Beilstein Journals of Nanotechnology zum Heliumionen-Mikroskop.

Originalveröffentlichung:
Natalie Frese, Patrick Schmerer, Martin Wortmann, Matthias Schürmann, Matthias König, Mi-chael Westphal, Friedemann Weber, Holger Sudhoff, Armin Gölzhäuser: Imaging of SARS-CoV-2 infected Vero E6 Cells by Helium Ion Microscopy. Beilstein Journal of Nanotechnology, https://www.doi.org/10.3762/bjnano.12.13, veröffentlicht am 2. Februar 2021.

Kontakt:
Prof. Dr. Armin Gölzhäuser, Universität Bielefeld
Fakultät für Physik
Telefon: 0521 106-5362
E-Mail: goelzhaeuser@physik.uni-bielefeld.de 

Aus dem Beruf ins Studium (Nr. 8/2021)

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Digitale Info-Veranstaltung für Studieninteressierte ohne Abitur

Für Berufstätige ohne (Fach-)Hochschulreife, die über ein Studium nachdenken, bieten die Universität und Fachhochschule Bielefeld eine gemeinsame Info-Veranstaltung an: Studieninteressierte mit einer abgeschlossenen Berufsausbildung können sich am Dienstag, 9. Februar, von 18 bis 19.30 Uhr, über verschiedene Zugangswege ins Studium informieren. Die Veranstaltung ist kostenlos und findet in digitaler Form statt.  

Welche Zugangsvoraussetzungen gelten für ein Studium? Was muss bei einer Bewerbung um einen Studienplatz beachtet werden? Zu diesen und weiteren Fragen informieren die Berater*innen von Universität und Fachhochschule Bielefeld beim gemeinsamen Informationsabend. Die Teilnehmer*innen erhalten außerdem Tipps zu Finanzierungsmöglichkeiten und Hinweise zu weiterführenden Beratungsangeboten rund um das Thema Studieren mit beruflicher Qualifikation.

Anmelden können sich Interessierte per Mail mit dem Betreff „Studieren ohne Abi“ an zsb@uni-bielefeld.de.

Weitere Informationen:
www.uni-bielefeld.de/studierenohneabi
www.fh-bielefeld.de/studienbewerbung/berufliche-qualifikation

Kontakte:
Zentrale Studienberatung, Universität Bielefeld
Telefon: 0521 106-3017
E-Mail: zsb@uni-bielefeld.de

Zentrale Studienberatung, Fachhochschule Bielefeld
E-Mail: zsb@fh-bielefeld.de


Wie türkische Migrant*innen Zusammenhalt in Deutschland erleben (Nr 9/2021)

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Neues Forschungsprojekt des Instituts für Konflikt- und Gewaltforschung

„Wir diskutieren in Deutschland darüber, dass sich Migrant*innen aus der Türkei aus der Gesellschaft zurückziehen. Ob das so ist und was genau geschieht, ist allerdings wissenschaftlich kaum untersucht“, sagt Professor Dr. Andreas Zick vom Institut für interdisziplinäre Konflikt- und Gewaltforschung (IKG) der Universität Bielefeld. In dem neuen Projekt „Transnationale Einflüsse, migrantische Identitäten und gesellschaftlicher Zusammenhalt“ (TransMIGZ) erforscht Zick gemeinsam mit türkischen IKG-Kolleg*innen, wie Menschen aus der Türkei gesellschaftlichen Zusammenhalt in Deutschland wahrnehmen. Das Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) fördert das Vorhaben mit einer halben Million Euro.

Die IKG-Forschenden Prof. Dr. Andreas Zick (li.o.), Aydin Bayad (re.o.), Dr. Ekrem Duzen (li.u.) und Elif Sandal-Önal (re.u.) untersuchen, was Türkischsein in Deutschland heute heißt. Fotos (3): Universität Bielefeld, Foto li.u.: Arti Media GmbH
Die IKG-Forschenden Prof. Dr. Andreas Zick (li.o.), Aydin Bayad (re.o.), Dr. Ekrem Duzen (li.u.) und Elif Sandal-Önal (re.u.) untersuchen, was Türkischsein in Deutschland heute heißt. Fotos (3): Universität Bielefeld, Foto li.u.: Arti Media GmbH
„Wenn Menschen zusammenhalten, helfen sie einander in Krisen, sie tauschen sich aus und teilen eine gemeinsame Identität“, sagt Professor Dr. Andreas Zick, Leiter des Instituts für interdisziplinäre Konflikt- und Gewaltforschung (IKG) der Universität Bielefeld. Das neue Projekt TransMIGZ gehört zu 19 Forschungsprojekten zum Zusammenhalt in Europa, die vom BMBF ausgewählt wurden. „Neben allen wissenschaftlichen und politischen Definitionen werden wir Gruppen von Menschen fragen, was sie unter Zusammenhalt verstehen – in diesem Fall die größte Migrant*innen-gruppe in Deutschland, die Menschen mit türkischem Migrationshintergrund.“

Wissenschaftler*innen aus der Türkei forschen im Projekt
Was empfinden Migrant*innen aus der Türkei als wichtig für den Zusammenhalt in der Gesellschaft? Wie erfahren sie Zusammenhalt in Deutschland und wie erleben sie ihn? Zick geht diesen Fragen gemeinsam mit seinen drei türkischen Kolleg*innen Dr. Ekrem Düzen, Elif Sandal Önal und Aydin Bayad am IKG nach.

„In den vergangenen Jahren hat der türkische Staat die in Europa lebenden türkeistämmigen Menschen vermehrt an ihre Herkunft erinnert und dazu aufgerufen, eine Art nationale Diaspora aufzubauen, also eine geschlossene Gemeinschaft im Aufnahmeland“, sagt Dr. Ekrem Duzen. „Dabei behandeln der türkische und auch der deutsche Staat die türkeistämmigen Menschen als eine homogene Gruppe, obwohl es sich um viele unterschiedliche Gemeinschaften handelt. Niemand hat diese vielen verschiedenen Menschen bisher gefragt, wie sie sich von beiden Ländern wahrgenommen fühlen.“ Duzen forschte als Psychologe an der Universität Izmir (Türkei). Seit vier Jahren lebt er in Bielefeld und wird von der Philipp Schwartz-Initiative für gefährdete Wissenschaftler*innen gefördert.

Mediale Analysen mit Befragungen kombinieren
Das zweisprachige Forschungsteam geht im Projekt empirisch vor. In einem ersten Schritt werten die Sozialpsycholog*innen aktuelle politische Texte über Integration und Zusammenhalt in türkischen Zeitungen und sozialen Medien aus. „Wir analysieren dabei, was Medien darüber vermitteln, wie sich Menschen aus der Türkei in Deutschland verhalten sollen und ob es dazu eine einheitliche politische Agenda gibt“, sagt Ekrem Duzen.

In einem zweiten Schritt schauen die Forschenden auf die medialen Beiträge, die im Zusammenhang mit dem Putschversuch durch das türkische Militär im Jahr 2016 stehen. Das Team konzentriert sich auf die Medien, die am häufigsten konsumiert wurden, und untersucht, welche Appelle in den Beiträgen an die türkeistämmigen Menschen in Deutschland gerichtet wurden. Was wurde von der türkischen Regierung mit Blick auf die im Ausland lebenden türkeistämmigen Menschen diskutiert? Welche Bedeutung hatte die Zeit nach dem Putschversuch für die türkeistämmigen Menschen in Deutschland?

In einem dritten Schritt führen die Wissenschaftler*innen Interviews mit Menschen aus der Türkei, die Deutschland als ihre Heimat betrachten. „Neben den Fragen nach dem gelebten und erlebten Zusammenhalt interessieren wir uns dafür, wie sich ihre Beziehung zur Türkei gestaltet, was Türkischsein heute heißt und welche Rolle nostalgische Gedanken an ein großes türkisches Reich spielen“, sagt Zick.

Ergebnisse sollen mit deutsch-türkischen Gemeinden diskutiert werden
Nach den Analysen und Befragungen nimmt die Übertragung in die Praxis einen großen Teil des Projekts ein: „Im letzten halben Jahr der zweieinhalbjährigen Projektlaufzeit werden wir Vorschläge für politische Entscheidungsträger*innen entwickeln“, so Zick. „Außerdem wollen wir in Workshops mit deutsch-türkischen Gemeinschaften genauer diskutieren, was Zusammenhalt bedeutet und wo es Probleme geben könnte.“

Das Projekt TransMIGZ wird für zweieinhalb Jahre mit 500.000 Euro vom Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) gefördert (Förderziffer 01UG2115). Die Fördermaßnahme steht unter dem Dach des Rahmenprogramms „Gesellschaft verstehen – Zukunft gestalten“. Damit fördert das BMBF Forschung in den Sozial- und Geisteswissenschaften, die zu einem besseren Verständnis und zur Bewältigung komplexer gesellschaftlicher Herausforderungen beiträgt.

Weitere Informationen:
•    Meldung des Bundesministeriums für Bildung und Forschung
•    Website zu geflüchteten und gefährdeten Wissenschaftler*innen an der Universität Bielefeld

Kontakt:
Prof. Dr. Andreas Zick, Universität Bielefeld
Institut für Konflikt- und Gewaltforschung (IKG)
Tel: 0521-106 3124 (Sekretariat)
E-Mail: sekretariat.ikg@uni-bielefeld.de

Personalnachrichten aus der Universität Bielefeld (Nr. 10/2021)

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•  Professorin Ellen Baake neue Präsidentin der Europäischen Gesellschaft für Mathematische und Theoretische Biologie
•  Professorin Dr. Christina Hoon neue Vorsitzende des Instituts für Familienunternehmen
•  Professorin Dr. Katharina Kohse-Höinghaus mit zwei Ehrenvorlesungen ausgezeichnet
•  Professorin Dr. Petra Kolip erneut im Wissenschaftlichen Beirat des RKI
•  Professorin Dr. Silke Schwandt neue Senatsvorsitzende


Prof. Dr. Ellen BaakeFoto: Universität Bielefeld
Prof. Dr. Ellen Baake
Foto: Universität Bielefeld
Professorin Dr. Ellen Baake (59) ist für die die Amtszeit von 2021 bis 2023 zur Präsidentin der Europäischen Gesellschaft für Mathematische und Theoretische Biologie (ESMTB) gewählt worden. Die wissenschaftliche Fachgesellschaft wurde 1991 gegründet, während der ersten Europäischen Konferenz zu angewandter Mathematik in Biologie und Medizin. Ziel der ESMTB ist es, theoretische Ansätze und mathematische Werkzeuge in Biologie und Medizin auf euro-päischer Ebene und darüber hinaus zu fördern. Die Gesellschaft organisiert und unterstützt Sommerschulen und Konferenzen, vergibt Preise an Nachwuchswissenschaftler*innen und informiert umfassend über aktuelle Entwicklungen. Dabei arbeitet sie eng mit der amerikanischen Schwesterorganisation (Society of Mathematical Biology, SMB) zusammen. Ellen Baake ist seit 2004 Professorin für Biomathematik und Theoretische Bioinformatik an der Technischen Fakultät der Universität Bielefeld.


Prof'in Dr. Christina Hoon, Foto: Universität Bielefeld/S. Sättele
Prof'in Dr. Christina Hoon
Foto: Universität Bielefeld/S. Sättele
Professorin Dr. Christina Hoon (48) ist bei den Vorstandswahlen des Instituts für Familienunternehmen (iFUn) zur neuen Vorsitzenden gewählt worden. Sie führt zudem auch das geschäftsführende iFUn-Direktorium und löst Professor Dr. Fred Becker ab, der diese Funktionen seit 2014 innehatte. Das iFUn-Direktorium setzt sich nunmehr aus Professorin Dr. Christina Hoon als Vorsitzende und zwei stellvertretenden Mitgliedern, Professor Dr. Fred Becker und Professorin Dr. Anne Sanders, zusammen. Seit 2014 beschäftigt sich die Fakultät für Wirt-schaftswissenschaften der Universität Bielefeld über das „Institut für Familienunternehmen | iFUn“ in Forschung und Lehre mit den Besonderheiten von Familienunternehmen. Zentral war dabei die 2015 umgesetzte Einrichtung des Stiftungslehrstuhls „Führung von Familienunternehmen“. Finanziert wird der Stiftungslehrstuhl und das iFUn von vielen ostwestfälischen Unternehmen und Institutionen. Seit Januar 2021 ist Christina Hoon Mitglied des Gesamtvorstands des Verbandes der Hochschullehrer*innen der Betriebswirtschaftslehre (VHB).


Prof. Dr. Katharina Kohse-HöinghausFoto: Uiversität Bielefeld
Prof. Dr. Katharina Kohse-Höinghaus
Foto: Uiversität Bielefeld
Professorin Dr. Katharina Kohse-Höinghaus (69) wurde mit zwei Namensvorlesungen geehrt: Die Hottel Lecture des International Combustion Institute ist die bedeutendste Namensvorlesung der internationalen Verbrennungsforschung. Die Vorlesung wird alle zwei Jahre verliehen und zur Eröffnung des Weltkongresses der Verbrennungsforschung gehalten. Dieser wurde wegen der Pandemie statt als Präsenzveranstaltung im Januar 2021 mit knapp 1.400 Teilnehmer*innen online durchgeführt. Zum anderen zeichnete die Schweizerische Chemische Gesellschaft Kohse-Höinghaus mit der Heilbronner-Hückel Vorlesung 2020 aus. Diese Auszeichnung wird zusammen mit der Gesellschaft Deutscher Chemiker im Wechsel an schweizerische und deutsche Wissenschaftler*innen vergeben und soll im Mai 2021 stattfinden. Professorin Kohse-Höinghaus ist Senior-Researcher der Universität Bielefeld und Ehrensenatorin. Sie leitete seit 1994 den Arbeitsbereich Physikalische Chemie an der Universität Bielefeld und engagiert sich seit mehr als 20 Jahren in hochrangigen wissenschaftlichen Organisationen.

Professorin Dr. Petra Kolip (59), seit 2009 Professorin für Prävention und Gesundheitsförderung an der Universität Bielefeld, wurde erneut als Mitglied des Wissenschaftlichen Beirats des Robert-Koch-Instituts (RKI) für die Amtsperiode 2021-2024 berufen. Es ist ihre dritte Amtszeit. Der Wissenschaftliche Beirat begleitet die laufenden wissenschaftlichen Arbeiten und gesundheitspolitischen Aufgaben des RKI und wirkt bei der Entwicklung mittel- und langfristiger Ziele beratend mit.

Professorin Dr. Silke Schwandt (40) wurde bei der konstituierenden Sitzung des Senats der Universität Bielefeld am 3. Februar zur neuen Vorsitzenden gewählt. Sie ist die erste Frau in dieser Position, die bis 2003 der Rektor der Universität qua Amt innehatte. Sie forscht und lehrt als Professorin für Digital History und Geschichte des Mittelalters an der Fakultät für Geschichtswissenschaft, Philosophie und Theologie. Zudem leitet sie unter anderem das Informationsinfrastrukturprojekt im SFB 1288 “Praktiken des Vergleichens. Die Welt ordnen und verändern” mit dem Titel “Dateninfrastruktur und Digital Humanities”. Ins Amt der stellvertretenden Senatsvorsitzenden ist die wissenschaftliche Mitarbeiterin der Fakultät für Linguistik und Literaturwissenschaft Dr. Beate Lingnau wiedergewählt worden. Der Senat berät unter anderem in Angelegenheiten von Forschung, Lehre und Studium, die die gesamte Hochschule betreffen. Diesem zentralen Gremium der Universität Bielefeld gehören 24 stimmberechtigte Mitglieder an: 12 aus Gruppe der Hochschullehrer*innen, 4 aus der Gruppe der aka-demischen Mitarbeiter*innen, 4 aus der Gruppe der Studierenden und 4 aus der Gruppe der Mitarbeiter*innen in Technik und Verwaltung. Daneben gehören ihm ohne Stimmrecht noch weitere Mitglieder der Universität an.



Das Bildmaterial ist hier abrufbar:
http://www.uni-bielefeld.de/uni/presse-medien/ | Pressemitteilungen


Inklusionshelfer*innen für das Digitale (Nr. 11/2021)

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Stifterverband fördert pädagogisches Projekt der Universität Bielefeld

Ob Rechnen und Schreiben üben mit ANTON und Scoyo oder Online-Kurse auf Moodle: Digitales Lernen wird an Schulen zunehmend zur Normalität – besonders jetzt während der Coronapandemie. Aber wie zugänglich sind solche digitalen Lernangebote für Schüler*innen mit sonderpädagogischem Förderbedarf? Und welche Möglichkeiten bieten sie für den inklusiven Unterricht? Mit diesen Fragen beschäftigt sich das neue Projekt DILBi hoch hundert der Universität Bielefeld: Studierende begleiten den Schulunterricht und unterstützen als Digital Scouts Schüler*innen mit und ohne festgestellten Förderbedarf beim digitalen Lernen. Das Projekt kooperiert mit Gesamtschulen im Kreis der Bezirksregierung Detmold. Gefördert wird DILBi hoch hundert vom Stifterverband für die Deutsche Wissenschaft.

 
DILBi hoch hundert – das steht für Digitale inklusionssensible Lehrer*innenbildung Bielefeld hoch hundert. „Unsere Idee hinter dem Projekt ist es, allen Schüler*innen eine gleichberechtigte Teilhabe an digitaler Bildung zu ermöglichen“, sagt die Professorin Dr. Anna-Maria Kamin von der Fakultät für Erziehungswissenschaft. Die Bildungsforscherin leitet das Projekt zusammen mit Dr. Claudia Mertens. „Gleichberechtigte Teilhabe ist nur dann möglich, wenn Lernplattformen, Lern-Apps und andere Lernressourcen im sogenannten Universal Design konzipiert sind – also so, dass alle sie uneingeschränkt nutzen können“, so Claudia Mertens, die ebenfalls an der Fakultät für Erziehungswissenschaft forscht.

Das ist aber nicht bei allen digitalen Lernangeboten der Fall – etwa weil die Schrift zu klein, die Sprache zu kompliziert, die Bedienung nicht intuitiv ist oder aber weil Hilfestellungen wie Untertitel und Sprachausgabe fehlen. Schüler*innen fällt es mitunter schwer, solche Angebote zu nutzen – das gilt zum Beispiel für Kinder und Jugendliche, die eine Lese- und Rechtschreibschwäche haben, die nur vermindert sehen oder hören können oder die aufgrund motorischer Einschränkungen Schwierigkeiten haben, auf einem Display zu tippen. „Dabei haben digitale Lernmedien prinzipiell ein hohes Potenzial, Schüler*innen mit Förderbedarf bei der Bearbeitung von Lerninhalten zu unterstützen“, so Kamin.

Sie leiten DILBi hoch hundert: Dr. Claudia Mertens (li.) und Prof’in Dr. Anna-Maria Kamin (re.). Foto links: Hilla Südhaus, Foto rechts: Universität Bielefeld
Sie leiten DILBi hoch hundert: Dr. Claudia Mertens (li.) und Prof’in Dr. Anna-Maria Kamin (re.). Foto links: Hilla Südhaus, Foto rechts: Universität Bielefeld
Studierende prüfen digitale Lernangebote auf Zugänglichkeit
Wie müssen digitale Lernangebote also gestaltet sein, damit sie für alle Schüler*innen barrierefrei zugänglich sind und chancengerechtes Lernen unterstützen? „Das ist die Ausgangsfrage unseres Basisprojekts DILBi, auf dem DILBi hoch hundert aufbaut“, sagt die Erziehungswissenschaftlerin Dr. Claudia Mertens. „Hierzu bieten wir seit Herbst 2020 ein Seminar an, in dem wir Studierende zu Digital Scouts ausbilden.“ Die Teilnehmer*innen des Seminars prüfen, wie barrierefrei digitale Angebote sind – und entwickeln darauf aufbauend eigene inklusive digitale Lernmaterialien. Zielgruppe sind dabei Schüler*innen mit den Förderschwerpunkten „Lernen“ und „geistige Entwicklung“.

Digitale Lernwerkzeuge für individuelle Förderung nutzbar machen
Bei der Bearbeitung haben die Studierenden die Wahl: Entweder entwickeln sie Tools, die Schüler*innen mit und ohne festgestellten Förderbedarf dabei helfen, digitale Kompetenzen zu erwerben. Beispiele sind etwa Lern- und Erklärvideos zu Themen wie dem Schreiben von E-Mails, dem Einloggen bei Videotelefonie-Diensten wie Zoom oder der Verwendung von Lern-Apps. Oder sie erarbeiten Materialien, die fachliches Wissen in den Fächern Mathe, Deutsch und Deutsch als Fremdsprache vermitteln.

„Den Praxistransfer stellen wir dann in diesem Jahr mit DILBi hoch hundert her“, sagt Mertens. Die Studierenden erproben die Materialien, die sie erarbeitet haben, in kooperierenden Schulen im Regierungsbezirk Detmold. Quereinsteiger*innen können ebenfalls auf die digitalen Tools aus dem Seminar zurückgreifen. Geplant ist, dass die Seminarteilnehmer*innen im Sommersemester 2021 die Praxisphase zum Seminar an den Schulen absolvieren. Je nachdem, wie sich die Coronapandemie entwickelt, soll es Präsenztermine vor Ort und Onlinetermine geben.
 
Die Studierenden haben so die Möglichkeit, ihre theoretischen Kompetenzen als Digital Scouts in der Schulpraxis anzuwenden und die erarbeiteten Lernmedien mit einer Schulklasse zu erproben. Ziel dabei ist, für Schüler*innen mit Förderbedarf Teilhabemöglichkeiten beim gemeinsamen Lernen zu schaffen. „Im Idealfall bedeutet Inklusion, dass alle Schüler*innen – ob mit oder ohne Förderbedarf – zusammenarbeiten“, erklärt Mertens. „Digitale Medien können dabei helfen. Das heißt: Alle lernen am gemeinsamen Unterrichtsgegenstand. Wer Hilfestellungen, wie zum Beispiel eine leichtere Sprache oder Rechtschreibstrategien, braucht, kann diese individuell anfordern – zum Beispiel durch bestimmte Funktionen in einer Lern-App.“

Indem die Digital Scouts ihre Ideen in den Unterricht einbringen, sollen außerdem Lehrkräfte für das Thema digitale Teilhabe sensibilisiert werden. Sie bekommen von den Studierenden außerdem Methoden, Tools und Materialien an die Hand, die sie wiederum für den Unterricht verwenden können. Das Projekt hilft, ein bestehendes Betreuungsproblem zu lösen: „Schüler*innen mit Unterstützungsbedarf benötigen idealerweise eine Eins-zu-eins-Betreuung, gerade wenn es darum geht, Medienkompetenzen zu erwerben“, sagt Mertens. „Das können Lehrkräfte im Schulalltag kaum leisten – erst recht nicht in der aktuellen Pandemielage. Diese Betreuung übernehmen dann zum Teil die Digital Scouts.“ Die Erfahrungen, die Digital Scouts und Lehrkräfte im gegenseitigen Austausch sammeln, können schließlich ins Fort- und Weiterbildungssystem für Lehrkräfte zurückgespiegelt werden.

Wirkung hoch 100
Die Jubiläumsinitiative Wirkung hoch 100 des Stifterverbandes für die Deutsche Wissenschaft e.V. fördert in einem mehrstufigen Prozess herausragende Projekte aus den Bereichen Bildung, Wissenschaft und Innovation. In der ersten Förderphase wurden nun aus über 500 Bewerbungen die hundert besten ausgewählt – darunter das Projekt DILBi hoch hundert. Außer mit einer finanziellen Förderung – 5.000 Euro für das Bielefelder Projekt – unterstützt der Stifterverband die Projekte praktisch, indem er sie mit Expert*innen und Partner*innen aus ihrem jeweiligen Wirkungsfeld zusammenbringt und vernetzt.

Weitere Informationen:
•    DILBi-Website
•    Initiative Wirkung hoch 100 des Stifterverbands

Kontakt:
Dr. Claudia Mertens, Universität Bielefeld
Fakultät für Erziehungswissenschaft
E-Mail: claudia.mertens@uni-bielefeld.de 
Telefon: 0521 106-67519

Wie Furcht und Frieden zusammenhängen (Nr. 12/2021)

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Videokonferenz am Zentrum für interdisziplinäre Forschung

Ein Leben in Frieden und ohne Angst bleibt für viele Menschen ein Wunschtraum. In manchen Gesellschaften gefährden Angst und Furcht den Frieden, in anderen Gesellschaften wird der Frieden durch Unterdrückung und Angst erzwungen. Diese Prozesse sind bislang kaum verstanden, denn Angst- und Friedensforschung gehen meist getrennte Wege. Dem will die Tagung „Peace and Fear – A Multidisciplinary Approach“ („Frieden und Furcht – ein interdisziplinärer Zugang“) begegnen. Expert*innen aus unterschiedlichen Weltregionen und Disziplinen diskutieren in einer digitalen Konferenz von Mittwoch bis Freitag, 17. bis zum 19. Februar darüber, wie Furcht und Frieden zusammenhängen. Der Workshop wird vom Zentrum für interdisziplinäre Forschung (ZiF) der Universität Bielefeld organisiert. Auf dem Programm steht am 18. Februar auch ein öffentlicher, englischsprachiger Vortrag zu Emotionen in der rechtspopulistischen Mobilisierung.

„Konflikt- und Friedensforschende haben lange Zeit getrennt voneinander gearbeitet“, sagt Yaatsil Guevara González (li.). Sie gehört wie Prof. Dr. Andreas Zick (re.) zum Leitungsteam der Tagung „Peace and Fear“. Zick sagt: „Wenn wir Erkenntnisse aus der Konflikt- und Friedensforschung zusammenbringen, kann das zu weitreichenden Lösungsansätzen für gesellschaftliche Probleme führen.“ Fotos: Universität Bielefeld
„Konflikt- und Friedensforschende haben lange Zeit getrennt voneinander gearbeitet“, sagt Yaatsil Guevara González (li.). Sie gehört wie Prof. Dr. Andreas Zick (re.) zum Leitungsteam der Tagung „Peace and Fear“. Zick sagt: „Wenn wir Erkenntnisse aus der Konflikt- und Friedensforschung zusammenbringen, kann das zu weitreichenden Lösungsansätzen für gesellschaftliche Probleme führen.“ Fotos: Universität Bielefeld
„Weltweit leben Menschen in Angstregimen. Das hat Konsequenzen für zukünftige Fragen der Konflikt- und Friedensregulation“, sagt Professor Dr. Andreas Zick, Direktor des Instituts für interdisziplinäre Konflikt- und Gewaltforschung (IKG) der Universität Bielefeld, das in diesem Jahr sein 25-jähriges Bestehen feiert. „Wir hoffen, gemeinsam mit den exzellenten Forschenden aus  unterschiedlichen Weltregionen, die wir in Bielefeld zusammenbringen, die Gefährdungen des Friedens innerhalb und zwischen Gesellschaften besser analysieren zu können“, so Zick. Der Sozialpsychologe leitet die Tagung zusammen mit der Soziologin und Ethnologin Yaatsil Guevara González (IKG), dem Historiker Sebastián Martínez Fernández (Leibniz Universität Hannover), dem Literaturwissenschaftler Professor Dr. Joachim Michael (Center for InterAmerican Studies, CIAS, Universität Bielefeld) sowie dem Sozialwissenschaftler und Friedensforscher Professor Dr. Roberto Briceno-León (Universidad Central de Venezuela).

Auf dem Programm steht zum Beispiel die Perspektive auf das Individuum und seine Ängste, auch in der aktuellen Pandemie. Außerdem geht ein Panel auf Fragen der Sicherheitspolitik ein. Ein weiteres Panel diskutiert, welche Kräfte Angst und Furcht in Gesellschaften bremsen können und welche Kräfte Angst und Furcht zu schüren versuchen. 

22 Expert*innen aus sieben Ländern tragen auf dem Workshop aktuelle Theorien zur Angst-, Konflikt- und Friedensforschung zusammen. Außerdem tauschen sie sich über empirische Erkenntnisse aus soziologischer, psychologischer und historischer Perspektive aus. „Dabei geht es unter anderem darum, wie sich Frieden im Verhältnis zu Angst und Furcht definieren lässt. Und wir befassen uns damit, wie sozialer Frieden und Furcht miteinander verbunden sind“, sagt der Literaturwissenschaftler Joachim Michael vom Center for InterAmerican Studies. 

Die Konferenz soll Einschätzungen zu sozialen Bedingungen in friedlichen wie auch konfliktreichen Gesellschaften sammeln. Ein Ziel ist es, Lösungsansätze zu erörtern, wie mit Angstregimes umzugehen ist. Dazu haben die Tagungsleiter*innen nicht nur Wissenschaftler*innen eingeladen, sondern auch Aktivist*innen von Nichtregierungsorganisationen, die sich weltweit in der Friedenssicherung engagieren, sowie Vertreter*innen von Forschungsförderungsorganisationen. 

„Der interdisziplinäre Austausch soll auch junge Friedens- und Konfliktforscher*innen in ihrer Fähigkeit stärken, die Grenzen bisheriger Ansätze zu hinterfragen, um neue Ansatzmöglichkeiten zu erkennen“, erklärt die Soziologin und Ethnologin Yaatsil Guevara González vom Institut für interdisziplinäre Konflikt- und Gewaltforschung. „Wir möchten damit das Feld der Friedens- und Konfliktforschung so erweitern, wie es der Wissenschaftsrat in Deutschland in einer seiner Empfehlungen nahegelegt hat.“

Auf dem Programm des Workshops steht auch ein öffentlicher Vortrag der Politikwissenschaftlerin Professorin Dr. Birgit Sauer von der Universität Wien. Sie spricht am Donnerstag, 18. Februar, um 16.30 Uhr auf Englisch darüber, wie rechtspopulistische Akteur*innen Gender-Themen nutzen, um Emotionen zu schüren und so ihre Anhänger*innen zu mobilisieren. Die Teilnahme an dem Vortrag ist über diesen Link möglich. 

Für Interessierte ist eine Online-Teilnahme am Workshop möglich. Dazu wird um Anmeldung im ZiF-Tagungsbüro bei marina.hoffmann@uni-bielefeld.de gebeten. Journalist*innen sind herzlich eingeladen, über die Veranstaltung zu berichten. Die Tagungssprache ist Englisch. Für den öffentlichen Vortrag ist keine Anmeldung erforderlich. 

Die Tagung findet in Zusammenarbeit mit dem Institut für interdisziplinäre Konflikt- und Gewaltforschung (IKG), dem Center for InterAmerican Studies (CIAS) der Universität und dem Center for Advanced Latin American Studies (CALAS) statt. 

Weitere Informationen: 
Website der Tagung.

Kontakt:
Marina Hoffmann, Universität Bielefeld
Zentrum für interdisziplinäre Forschung (ZiF)
Telefon: 0521 106-2768 

Neu an der Uni Bielefeld: Digital Health Management (Nr. 13/2021

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Weiterbildung zur Digitalisierung im Gesundheits- und  Sozialwesen

Ab April beginnt eine neue Weiterbildung zum Thema E-Health für Fachkräfte im Gesundheits- und Sozialwesen und in Pflegeeinrichtungen an der Universität Bielefeld. Die einjährige Weiterbildung wird im Rahmen des Fernstudiums Angewandte Gesundheitswissenschaften an der Universität Bielefeld berufsbegleitend angeboten. Sie vermittelt vertiefende Kenntnisse zu E-Health, zum Prozess der Digitalisierung und den Einsatzmöglichkeiten im Gesundheitswesen. Bewerbungen sind bis zum 15. März möglich.


Voraussetzung ist eine abgeschlossene Berufsausbildung oder ein abgeschlossenes Hochschulstudium und eine einschlägige Berufspraxis. Das Studium beginnt am 1. April in digitaler Form. Vermittelt wird ein Überblick über den digitalen Wandel und die weitreichenden Einsatzmöglichkeiten. Fachkräfte werden dazu befähigt, Chancen und Risiken von E-Health-Anwendungen für das Gesundheitswesen und für das eigene Arbeitsfeld zu erkennen. Sie lernen Potenziale für eine bessere Gesundheitsversorgung einschätzen, aber auch den Nutzen für eine bessere Zusammenarbeit, Arbeitsorganisation und Kommunikation erkennen. IT-Kenntnisse werden nicht vorausgesetzt.

Wer das Fernstudium absolviert, kann es mit einem Universitätszertifikat als Digital Health Manager*in abschließen. Es besteht auch die Möglichkeit, in einem anderen Schwerpunkt ein Universitätszertifikat in den Bereichen Gesundheits- und Personalmanagement, Gesundheits- und Präventionsberatung, Case Management (DGCC) oder Pflegeberatung nach Paragraf § 7a des Sozialgesetzbuches XI zu erwerben.

Weitere Informationen:
Studienangebot und Bewerbungsverfahren: https://fag.uni-bielefeld.de

Kontakt:
Dr. Sigrid Matzick, Universität Bielefeld
Fakultät für Gesundheitswissenschaften
Telefon: 0521 106-4376
Email: sigrid.matzick@uni-bielefeld.de

Mit Wärme Strom erzeugen, ohne seltene Elemente zu nutzen (Nr. 14/2021)

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Internationales Team veröffentlicht Studie in Nature Communications

Prof’in Dr. Gabi Schierning untersucht in einer neuen Studie, wie sich thermoelektri-sche Bauelemente fertigen lassen, die ohne das seltene Element Tellur auskommen. Foto: Universität Bielefeld
Prof’in Dr. Gabi Schierning untersucht in einer neuen Studie, wie sich thermoelektrische Bauelemente fertigen lassen, die ohne das seltene Element Tellur auskommen. Foto: Universität Bielefeld
Thermoelektrische Generatoren wandeln Wärme in Strom um. Bisher musste für die Herstellung solcher Generatoren Tellur verwendet werden – eines der seltensten Elemente der Erde. Professorin Dr. Gabi Schierning von der Fakultät für Physik der Universität Bielefeld hat nun mit Kolleg*innen gezeigt, dass auch aus alternativen Materialien effiziente thermoelektrische Module gefertigt werden können. Diese Materialien basieren auf besser verfügbaren Elementen wie Magnesium. Forschende des Leibniz-Instituts für Festkörper- und Werkstoffforschung IFW Dresden, der University of Houston (USA), dem Harbin Institute of Technology (China) und Gabi Schierning haben die Ergebnisse im Fachmagazin Nature Communications veröffentlicht.


„Alternativen zu Tellur zu finden, ist sehr wichtig für die Anwendbarkeit der Thermoelektronik“, sagt Professorin Dr. Gabi Schierning von der Universität Bielefeld. Die Physikerin erforscht thermoelektrische Materialien und Bauelemente in der Arbeitsgruppe Dünne Schichten und Physik der Nanostrukturen. Thermoelektrische Generatoren wandeln Wärme in elektrische Energie um: Ladungsträger haben bei hohen Temperaturen eine größere thermische Geschwindigkeit als bei niedrigen. Gibt es in thermoelektrischen Materialien einen Temperaturunterschied, wandern die Ladungsträger von wärmeren in kältere Bereiche und erzeugen dadurch eine nutzbare elektrische Spannung. 

Die Technologie könnte eingesetzt werden, um Abwärme – die Wärme, die bei der Energieerzeugung an die Umgebung abgegeben wird – zum Teil wieder nutzbar zu machen. „Bei der Verbrennung fossiler Brennstoffe geht ein großer Teil der erzeugten Energie als Abwärme verloren. Indem aus der Abwärme wieder Elektrizität generiert wird, ließe sich zum Beispiel der Ausstoß von Treibhausgasen verringern“, sagt Schierning.

Die neuen Bauelemente basieren auf Magnesium und Antimon
Abwärme hat meistens Temperaturen bis etwa 250 Grad Celsius. Module aus Tellur-basierten Materialen wandeln in diesem Bereich effizient Wärme in elektrischen Strom um. „Das Ziel ist, Materialien zu finden, die ähnlich effizient sind, aber häufiger in der Erdkruste vorkommen und damit kostengünstiger sind – dadurch steigt die Chance, dass die Technologie marktfähig wird“, sagt Schierning. Für ihre Studie haben die Wissenschaftler*innen chemische Verbindungen verwendet, die auf den Elementen Magnesium und Antimon basieren. „Dass solche Verbindungen geeignete Materialien für die Thermoelektronik sind, war schon einige Zeit bekannt. Bisher konnte aber nicht gezeigt werden, dass sich aus ihnen auch funktionierende thermoelektrische Bauelemente herstellen lassen. Das ist uns nun gelungen“, so Schierning.

Zunächst haben die Wissenschaftler*innen die thermoelektrischen Materialien synthetisiert. Dazu werden alle Bestandteile zu einem feinen Pulver vermahlen und unter Hitze verdichtet. Aus diesen Materialien wird danach das Modul angefertigt. Dr. Pingjun Ying und Dr. Ran He vom Leibniz-Institut für Festkörper- und Werkstoffforschung IFW Dresden haben dafür sowohl die Synthese der Materialien als auch den Aufbau so optimiert, dass das Bauelement möglichst effizient elektrische Energie generieren kann, was zum Beispiel von der Schichtung des Materials oder der geometrischen Struktur des Moduls abhängt. Diese Untersuchungen zeigen, dass die Magnesium-basierten Bauelemente genauso effizient sind wie Tellur-basierte.

Wissenschaftlerin wird vom Europäischen Forschungsrat gefördert 
Gabi Schierning, die vorher ebenfalls am Leibniz-Institut in Dresden tätig war, ist seit Oktober 2020 Professorin für Experimentalphysik an der Fakultät für Physik der Universität Bielefeld. Der Europäische Forschungsrat ERC hat sie Ende 2019 mit dem ERC Consolidator Grant ausgezeichnet: In dem mit zwei Millionen Euro geförderten Projekt MATTER geht Schierning der Frage nach, wie Oberflächen von thermoelektrischen Materialien beschaffen sein müssen, um effizient elektrischen Strom zu transportieren. „Ich versuche in meiner Forschung den Spagat zwischen Anwendung und Grundlagen“, sagt Schierning.

Originalveröffentlichung: 
Pingjun Ying, Ran He, Jun Mao, Qihao Zhang, Heiko Reith, Jiehe Sui, Zhifeng Ren, Kornelius Nielsch, Gabi Schierning: Towards tellurium-free thermoelectric modules for power generation from low-grade heat. Nature Communications, https://www.doi.org/10.1038/s41467-021-21391-1, veröffentlicht am 18. Januar 2021.

Weitere Informationen:
Meldung des Leibniz-Instituts für Festkörper- und Werkstoffforschung IFW Dresden zu der Studie

Kontakt:
Prof.’in Dr. Gabi Schierning, Universität Bielefeld
Fakultät für Physik
Telefon: 0521 106-2661
E-Mail: gabi.schierning@uni-bielefeld.de

Künstliche Intelligenz verstehbar machen – Erklärprozesse gestalten

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Wissenschaftler*innen der Universitäten Paderborn und Bielefeld erforschen neue Form der Mensch-Maschine-Interaktion

Bewerbungen aussortieren, Röntgenbilder begutachten, eine neue Songliste vorschlagen – die Mensch-Maschine-Interaktion ist inzwischen fester Bestandteil des modernen Lebens. Grundlage für solche Prozesse künstlicher Intelligenz (KI) sind algorithmische Entscheidungsfindungen. Da diese in der Regel aber schwer nachzuvollziehen sind, bringen sie häufig nicht den erhofften Nutzen mit sich. Um das zu ändern, diskutieren Wissenschaftler*innen der Universitäten Paderborn und Bielefeld, wie die Erklärbarkeit künstlicher Intelligenz verbessert und an die Bedürfnisse der Menschen angepasst werden kann. Der Ansatz wurde jetzt in dem renommierten Journal „IEEE Transactions on Cognitive and Developmental Systems“ veröffentlicht. Die Forscher*innen stellen Erklären dabei als eine soziale Praktik vor, bei der beide Seiten den Prozess des Verstehens gemeinsam konstruieren.

Erklärbarkeitsforschung
„Künstliche Systeme sind komplex geworden. Das ist ein ernsthaftes Problem – insbesondere dann, wenn Menschen für computerbasierte Entscheidungen verantwortlich gemacht werden", betont Professor Dr. Philipp Cimiano, Informatiker der Universität Bielefeld. Gerade bei Vorhersagen im Bereich der Medizin oder der Rechtsprechung sei es notwendig, die maschinengesteuerte Entscheidungsfindung nachzuvollziehen, so Cimiano weiter. Zwar gebe es bereits Ansätze, die eine Erklärbarkeit entsprechender Systeme zum Gegenstand hätten, ausreichend sei das aber noch lange nicht. Auch Professorin Dr. Katharina Rohlfing von der Universität Paderborn bestätigt den dringenden Handlungsbedarf: „Bürger haben ein Recht darauf, dass algorithmische Entscheidungen transparent gemacht werden. Das Anliegen ist nicht ohne Grund Gegenstand der General Data Protection-Verordnung der Europäischen Union.“ Das Ziel, Algorithmen zugänglich zu machen, ist Kern der sogenannten „eXplainable Artificial Intelligence (XAI)“: „Bei der Erklärbarkeitsforschung stehen Transparenz und Interpretierbarkeit aktuell als gewünschte Ergebnisse im Mittelpunkt“, so Rohlfing über den Stand der Forschung.

Entscheidungsfindung nachvollziehen
Die an der Veröffentlichung beteiligten Wissenschaftler*innen gehen einen Schritt weiter und untersuchen computerbasierte Erklärungen aus unterschiedlichen Blickwinkeln. Dabei sehen sie es als gesetzt an, dass Erklärungen nur dann für die Anwender*innen nachvollziehbar sind, wenn sie nicht nur für sie, sondern auch mit ihnen entstehen: „Wir wissen aus vielen Alltagssituationen, dass eine gute Erklärung für sich nichts bringt, wenn die Erfahrungen der anderen Seite unberücksichtigt bleiben. Wer sich wundert, warum seine Bewerbung durch den Algorithmus aussortiert wurde, möchte normalerweise nichts über die Technologie des maschinellen Lernens erfahren, sondern fragt nach der Datenverarbeitung in Bezug auf die eigenen Qualifikationen“, erklärt Rohlfing.

„Wenn Menschen miteinander interagieren, sorgt der Austausch zwischen den Beteiligten dafür, dass eine Erklärung an das Verständnis des Gegenübers angepasst wird. Der Gesprächspartner stellt vertiefende Fragen oder kann Unverständnis äußern, das anschließend aufgelöst wird. Im Fall von künstlicher Intelligenz ist das aufgrund mangelnder Interaktionsfähigkeit mit Einschränkungen verbunden“, so Rohlfing weiter. Um das zu ändern, arbeiten Linguist*innen, Psycholog*innen, Medienforscher*innen, Soziolog*innen, Ökonom*innen und Informatiker*innen in einem interdisziplinären Team eng zusammen. Die Expert*innen untersuchen Computermodelle und komplexe KI-Systeme sowie Rollen des kommunikativen Handelns.

Erklären als soziale Praktik
Die Paderborner und Bielefelder Wissenschaftler*innen haben einen konzeptionellen Rahmen für das Design von erklärbaren KI-Systemen entwickelt. Rohlfing: „Mit unserem Ansatz können KI-Systeme ausgewählte Fragen so beantworten, dass der Prozess interaktiv gestaltet werden kann. Auf diese Weise wird eine Erklärung auf den Gesprächspartner zugeschnitten und soziale Aspekte in die Entscheidungsfindung miteinbezogen.“ Das Forscher*innenteam versteht Erklärungen dabei als Abfolge von Handlungen, die von den Parteien im Sinne einer sozialen Praktik zusammengebracht werden.

Konkret soll das durch das sogenannte Scaffolding und Monitoring gesteuert werden. Die Konzepte stammen aus dem Bereich der Entwicklungsforschung: „Vereinfacht ausgedrückt beschreibt Scaffolding – aus dem Englischen für ‚Gerüst‘– eine Methode, bei der Lernprozesse durch Denkanstöße und Hilfestellungen unterstützt und in Teilschritte zerlegt werden. Beim Monitoring geht es um das Beobachten und Einschätzen der Reaktionen des Gegenübers“, so Rohlfing. Ziel der Wissenschaftler*innen ist es, diese Prinzipien auf KI-Systeme anzuwenden.

Neue Assistenzformen
Der Ansatz soll die aktuelle Forschung erweitern und neue Antworten auf gesellschaftliche Herausforderungen im Zusammenhang mit künstlicher Intelligenz geben. Die zugrundeliegende Annahme ist, dass es nur dann gelingen kann, aus einer Erklärung Wissen und weiteres Handeln abzuleiten, wenn der Gesprächspartner in den Erklärprozess miteinbezogen wird. Im Kern geht es dabei um die Teilnahme der Menschen an soziotechnischen Systemen. „Unser Ziel ist es, neue Formen von Kommunikation mit wirklich erklärbaren und verstehbaren KI-Systemen zu schaffen und somit neue Assistenzformen zu ermöglichen“, fasst Rohlfing zusammen.

Originalveröffentlichung:
Katharina J. Rohlfing; Philipp Cimiano; Ingrid Scharlau; Tobias Matzner; Heike M. Buhl; Hendrik Buschmeier; Elena Esposito und weitere Autor*innen: Explanation as a social practice: Toward a conceptual framework for the social design of AI systems. IEEE Journals & Magazine, https://www.doi.org/10.1109/TCDS.2020.3044366, veröffentlicht am 14. Dezember 2020.

Kontakt:
Prof. Dr. Philipp Cimiano , Universität Bielefeld
Technische Fakultät
Telefon: 0521 106-12249
E-Mail: cimiano@cit-ec.uni-bielefeld.de

Prof’in Dr. Katharina Rohlfing, Universität Paderborn
Fakultät für Kulturwissenschaften
Telefon: 05251 60-5717
E-Mail: katharina.rohlfing@upb.de


Stärkung der Prävention bei jeder Form von islamistischer Radikalisierung

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Forschungsverbund MAPEX legt interaktive Datensammlung für die präventive Arbeit an Schulen und der Jugendhilfe vor - 1.533 Projekte und Maßnahmen erfasst

„Islamistischer Terrorismus kann nicht alleine mit repressiven Mitteln bekämpft werden. Deutschland braucht eine koordinierte wissensbasierte Prävention vor allem an Schulen und in der Jugendhilfe“, so die Projektpartner des Forschungsverbundes MAPEX in ihrem Abschlussbericht. In den vergangenen drei Jahren haben sie alle Präventions- und Interventionsprojekte im Bereich des islamistischen Extremismus in Deutschland auf einer interaktiven Online-Plattform (www.mapex-projekt.de) zusammengetragen. Sie fordern ein Zentrum praxisorientierter Präventionsforschung, in dem Wissen zu Extremismus- und Radikalisierungsphänomenen gespeichert, laufend analysiert und vermittelt wird. An dem Forschungsverbund MAPEX nahmen die Universitäten Bielefeld, Osnabrück, Frankfurt sowie die FH Münster teil.


Vor allem der Bund und im Besonderen das Innen- und Familienministerium stecken inzwischen viel Geld in die Präventionsarbeit. Alleine in den beiden großen Programmen „Demokratie leben!“ und „Nationales Präventionsprogramm gegen islamistischen Extremismus“ werden jährlich jeweils 100 Millionen Euro verausgabt. „Ob das Geld dort ankommt, wo es gebraucht wird, und ob wirklich alle relevanten Partner beteiligt sind – dazu hatten wir bislang keine valide Datenbasis“, so Prof. Dr. Andreas Zick, der an der Universität Bielefeld das Verbundprojekt koordiniert.

Abhilfe verspricht das vom Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF)  von 2017 bis 2021 geförderte Forschungsprojekt MAPEX (Mapping und Analyse von Präventions- und Distanzierungsprojekten im Umgang mit islamistischer Radikalisierung), das systematisch alle Präventionsprojekte in Deutschland identifizierte und anschließend telefonisch befragte. Herausgekommen ist unter anderem eine interaktive Landkarte, der präzise entnommen werden kann, wo in Deutschland Prävention geleistet wird. Das Forschungsteam hat insgesamt 1.000 Projekte und Maßnahmen erfasst und 591 telefonische Interviews geführt.

Das Datenmaterial zeige eindrucksvoll auf, dass Bund, Länder und Kommunen und die von ihnen beauftragten Träger in den vergangenen Jahren viel Pionierarbeit geleistet haben. Dennoch gebe es Lücken und Mängel, so der Soziologe Dr. Sebastian Kurtenbach (FH Münster): „Die Versorgung des ländlichen Raumes kommt in der Präventionsarbeit gegen islamistische Radikalisierung nicht selten zu kurz.“

Der Islamwissenschaftler Dr. Michael Kiefer (Universität Osnabrück) ergänzt: „Verbessert werden muss auch die Zusammenarbeit zwischen Maßnahmenträgern. Nicht alle Maßnahmen und Angebote sind Schulen und Jugendhilfen bekannt.“ Ebenso bemängeln die Projektpartner, dass viele präventive Angebote nur für einen bestimmten Zeitraum angeboten werden. So haben die „Respekt Coaches“, die an 190 Schulen ihre Dienste verrichten, allesamt befristete Arbeitsverträge. Dies bedeutet, dass Ende 2021 die Schulen wichtige Präventionsakteure verlieren würden. Für Prof. Dr. Harry Harun Behr  und Dr. Meltem Kulaçatan, die das Frankfurter Teilprojekt in MAPEX leiteten, ist dies „ein unerfreulicher Sachverhalt, der die nachhaltige Strukturbildung in der Präventionslandschaft einschränkt.“

Der Forschungsverbund hat neben der interaktiven Online-Plattform auch ein Buch veröffentlicht, in dem vertiefende Analysen sowie auch Teilstudien publiziert werden. Dort finden sich auch Praxisbeispiele an Schulen, in Kommunen sowie Maßnahmen, die vielversprechend sind für die Deradikalisierung und Distanzierung vom Extremismus.
„Es bedarf aber noch größerer Anstrengungen zur Stärkung der Prävention bei jeder Form von Extremismus“, meint die Koordinatorin Manuela Freiheit von der Universität Bielefeld. Sie verweist auf eine zusätzliche Handreichung, die die Bedarfe an Politik und Institutionen richtet, die für die Stärkung und Entwicklung der Prävention zuständig sind.
„Forschung und Praxis müssen enger verzahnt werden und Wissen schneller in den Transfer gelangen können“, meint Andras Zick, und er ergänzt mit dem Blick auf die Herausforderungen, die mit neuen Extremismusphänomenen einhergehen: „Wir wünschen uns nach vielen Jahren der Forschung im Bereich Radikalisierung und Extremismus ein Wissenschaftszentrum für Radikalisierungsanalyse und Prävention.“

Zum Projektabschluss stellen die Partner des MAPEX-Forschungsverbundes am Freitag, 26. Februar, ihre Ergebnisse während einer Online-Fachtagung zur Diskussion. „Gleichzeitig wollen wir gemeinsam überlegen, an welchen strukturellen Stellschrauben noch gedreht und welche Themen stärker in der Forschung wie in der Praxis bedacht werden müssten, um die Präventions- und Interventionslandschaft gemeinsam weiterentwickeln zu können“, heißt es im Einladungstext.

Dem Forschungsverbund MAPEX gehörten an:
Institut für interdisziplinäre Konflikt- und Gewaltforschung (IKG), Universität Bielefeld; Institut für Islamische Theologie (IIT), Universität Osnabrück;
Erziehungswissenschaft mit Schwerpunkt Islam, Goethe-Universität Frankfurt am Main; Fachbereich Sozialwesen, Fachhochschule Münster


Weitere Kontakte: 
E-Mail: mapex.ikg@uni-bielefeld.de

 Prof. Dr. Andreas Zick, Universität Bielefeld
Institut für interdisziplinäre Konflikt- und Gewaltforschung
Tel. +49 521 106-3124
E-Mail: zick@uni-bielefeld.de

Dr. Michael Kiefer, Universität Osnabrück
Institut für Islamische Theologie
Tel. +49 541 969 6220
E-Mail: michael.kiefer@uni-osnabrueck.de

2,25 Millionen Euro für Graduiertenkolleg zu Naturwirkstoffen (Nr. 15/2021)

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Vier Jahre weitere Förderung für kamerunisch-deutsches Forschungsnetzwerk

Rund 200 traditionell genutzte Heilpflanzen haben Forschende der Yaoundé-Bielefeld Graduate School (Graduiertenkolleg Yaoundé-Bielefeld, YaBiNaPA) seit 2016 gesammelt, zu mehr als 600 Extrakten verarbeitet und systematisch auf ihre Wirkung untersucht. Mit Erfolg: Sie konnten belegen, dass mehr als 400 der Pflanzenextrakte gegen Bakterien wirken und dass 70 Extrakte gegen Parasiten wie etwa Plasmodien wirken, die Malaria auslösen können. Jetzt wird das Graduiertenkolleg für weitere vier Jahre bis 2025 gefördert. Der Deutsche Akademische Austauschdienst (DAAD) unterstützt das Forschungsnetzwerk mit 2,25 Millionen Euro mit Mitteln des Bundesministeriums für wirtschaftliche Zusammenarbeit (BMZ).


Für die Fortsetzung des Projektes kooperieren die Universität Bielefeld als deutscher Partner und die Universität Yaoundé I als kamerunischer Partner mit sieben Universitäten und zwei Forschungsinstituten in Kamerun. Koordiniert wird das Graduiertenkolleg von den beiden Chemikern Professor Dr. Norbert Sewald von der Universität Bielefeld und Professor Dr. Bruno Lenta von der Universität Yaoundé I.

Sie wollen Medikamente der traditionellen afrikanischen Medizin erforschen und auf dem afrikanischen Markt etablieren: die beiden Koordinatoren des Graduiertenkollegs YaBiNaPa, Prof. Dr. Norbert Sewald, Universität Bielefeld (li.) und Prof. Dr. Bruno Lenta, Universität Yaoundé I (re.). Fotos: Universität Bielefeld
Sie wollen Medikamente der traditionellen afrikanischen Medizin erforschen und auf dem afrikanischen Markt etablieren: die beiden Koordinatoren des Graduiertenkollegs YaBiNaPa, Prof. Dr. Norbert Sewald, Universität Bielefeld (li.) und Prof. Dr. Bruno Lenta, Universität Yaoundé I (re.). Fotos: Universität Bielefeld
„Der Großteil der kamerunischen Bevölkerung vertraut auf die traditionelle afrikanische Medizin, die sehr reich an pflanzlichen Präparaten ist”, sagt Norbert Sewald. Das liege auch daran, dass synthetisch hergestellte Arzneien vergleichsweise teuer sind. Das Graduiertenkolleg soll daher mit seiner Forschung eine Basis dafür schaffen, günstige und sichere Medikamente auf Pflanzenbasis herzu-stellen.

Um dieses Ziel zu erreichen, bringt das Graduiertenkolleg YaBiNaPA führende kamerunische Ex-pert*innen der Naturstoffforschung in Yaoundé zusammen. Seit der Gründung 2016 haben 20 kamerunische Doktorand*innen an dem Graduiertenkolleg zu Wirkstoffen aus Heilpflanzen geforscht. Unterstützt wurden sie dabei außer von den Leiter*innen der Teilprojekte auch von 26 Gastpromovierenden anderer kamerunischer Universitäten und 13 Gastpromovierenden aus weiteren afrikanischen Ländern. Bisherige Ergebnisse haben die Doktorand*innen in 24 Artikeln in internationalen Forschungsmagazinen wie dem Journal of Natural Products oder den Phytochemistry Letters veröffentlicht. In der ersten Förderphase waren zwölf Doktorand*innen, zwei Postdoktorand*innen und zehn Projektleiter*innen des Graduiertenkollegs an der Universität Bielefeld zu Gast. „Wir verfügen hier in Bielefeld über spezielle Analysegeräte zur Aufklärung der molekularen Struktur von Naturstoffen, die bislang in Yaoundé nicht verfügbar sind“, berichtet Sewald. „So konnten die Kolleg*innen aus Kamerun bei ihren Forschungsaufenthalten hunderte von Proben in kürzester Zeit auswerten.“

Präparate gegen Typhus und Pilzinfektionen entwickelt
Die 600 Extrakte, die die Forschenden aus Chemie, Biologie und Pharmazie bislang aus den Heilpflanzen gewonnen haben, haben sie nicht nur auf ihre Wirkung gegen Krankheitserreger untersucht. Sie haben aus den Extrakten zusätzlich einzelne Naturstoffe isoliert. So können sie analysieren, welche Moleküle die medizinische Wirkung erzeugen. „Erste Forschungsergebnisse werden schon praktisch genutzt“, sagt Sewald. So konnte aus einem einheimischen Baum ein Sirup gewonnen werden, der gegen Typhus wirksam ist. „In dem Graduiertenkolleg wurden darüber hinaus beispielsweise Seifen und Cremes hergestellt, die Pilzinfektionen bekämpfen.“

Auf Basis ihrer Forschung stellt das Graduiertenkolleg zum Beispiel eine Seife her, die bei Pilzerkrankungen hilft. Foto: Universität Yaoundé I
Auf Basis ihrer Forschung stellt das Graduiertenkolleg zum Beispiel eine Seife her, die bei Pilzerkrankungen hilft. Foto: Universität Yaoundé I
Der kamerunische Koordinator des Graduiertenkollegs, Professor Dr. Bruno Lenta, sieht außerdem die Qualifikation der Doktorand*innen als Erfolgsfaktor. „Durch ihre eigene Forschung und die Zu-sammenarbeit mit renommierten Fachleuten aus der Naturstoffforschung werden die Doktorand*innen selbst zu Expert*innen für Medikamente aus Heilpflanzen. Sie bauen sich ein professionelles Netzwerk auf“, sagt Lenta. „Und das kann langfristig sogar dazu führen, dass sie eigene Unternehmen gründen, um ihre Entwicklungen auf den Markt zu bringen.“

Zusätzliche Partnereinrichtungen im Forschungskonsortium
Bislang arbeiteten neben den Universitäten Bielefeld und Yaoundé Wissenschaftler*innen drei weiterer Universitäten am Graduiertenkolleg YaBiNaPA mit. Ab diesem Jahr gehören dem Graduiertenkolleg 15 Projektleiter*innen von der Universität Yaoundé an, außerdem zwölf Wissenschaftler*innen kamerunischer Universitäten und Forschungsinstitute, die die Forschung und Ausbildung der Doktorand*innen unterstützen.

In der zweiten Förderphase von 2021 bis 2025, werden wieder 20 Doktorand*innen in dem Graduiertenkolleg ausgebildet und durch Stipendien gefördert. Jedes Jahr werden zusätzlich zehn Stipendien über sechs Monate an Gastdoktorand*innen aus Kamerun und weiteren afrikanischen Ländern vergeben. Außerdem reisen jährlich sechs Mitglieder des Graduiertenkollegs für Forschungsaufenthalte zwischen sechs und elf Monaten nach Bielefeld.

Erste Arzneien, die in dem Graduiertenkolleg entwickelt wurden, werden bereits zum Kauf angeboten. Foto: Universität Yaoundé I
Erste Arzneien, die in dem Graduiertenkolleg entwickelt wurden, werden bereits zum Kauf angeboten. Foto: Universität Yaoundé I
Langfristig soll das Graduiertenkolleg YaBiNaPA zu einem Exzellenzzentrum für Naturstoffforschung und Phytomedizin in Afrika ausgebaut werden. Der Name YaBiNaPA steht für „Natural Products with Antiparasite and Antibacterial Activity“ (Naturstoffe mit antiparasitärer und antibakterieller Wirkung). Das Graduiertenkolleg wird im Sinn der Ziele für nachhaltige Entwicklung (Sustainable Development Goals, SDG) gefördert, die von den Vereinten Nationen (UN) definiert wurden und 2016 in Kraft traten. Die SDG sollen dazu beitragen, dass sich Staaten weltweit ökonomisch, sozial und ökologisch nachhaltig entwickeln. Heilpflanzen gelten als wichtige Bioressource mit hohem kulturellen und ökonomischen Potential. Ihre Erforschung wird als ein Mittel angesehen, um den wirtschaft-lichen Aufstieg von Entwicklungsländern maßgeblich und nachhaltig voranzutreiben.

Für das Graduiertenkolleg YaBiNaPA kooperieren die Universitäten Bielefeld und Yaoundé I mit folgenden kamerunischen Partnereinrichtungen: Institute of Medical Research and Medicinal Plant Study (IMPM) in Yaoundé, Centre Pasteur du Cameroun in Yaoundé, sowie den Universitäten in Dschang, Douala, Bamenda, Maroua und Ngaoundéré. Der Deutsche Akademische Austauschdienst (DAAD) fördert YaBiNaPA über sein Programm für bilaterale Graduiertenkollegs (Projekt-ID: 57561808).

Weitere Informationen:
•    research_tv-Beitrag zum Graduiertenkolleg YaBiNaPA
•    Website zum Graduiertenkolleg
•    Pressemitteilung zur Eröffnung des Graduiertenkollegs

Kontakt:
Prof. Dr. Norbert Sewald, Universität Bielefeld
Fakultät für Chemie
Telefon: 0521 106 2051
E-Mail: norbert.sewald@uni-bielefeld.de

Wie werden Frauen- und Geschlechterrechte angegriffen? (Nr. 16/2021)

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Internationale Tagung am Zentrum für interdisziplinäre Forschung

Gleiche Rechte für alle Menschen aller Geschlechter: Das galt lange als ein zwar noch nicht erreichtes, aber unumstrittenes Ziel. Seit einiger Zeit ist dieser Konsens jedoch brüchig geworden – der Einsatz für Frauen- und Geschlechterrechte wird von unterschiedlichen Seiten als „Gender-Ideologie“ kritisiert. Doch warum und auf welche Weisen sind Frauen- und Geschlechterrechte in verschiedenen politischen und gesellschaftlichen Kontexten weltweit zu einem so umstrittenen Feld geworden? Diese Frage steht im Mittelpunkt der internationalen Tagung „Framing Global Contestations of Women's and Gender Rights“ („Die weltweiten Anfechtungen von Frauen und Geschlechterrechten einordnen“), die im Hybrid-Format vom 24. bis zum 26. März am Zentrum für interdisziplinäre Forschung (ZiF) der Universität Bielefeld stattfindet. Die meisten der 140 teilnehmenden Wissenschaftler*innen werden digital zugeschaltet.

Sie organisieren die Auftaktkonferenz der neuen ZiF-Forschungsgruppe (v.li.): PD Dr. Alexandra Scheele, Prof’in Dr. Heidemarie Winkel, Prof’in Dr. Julia Roth und Anna Efremowa. Foto: Universität Bielefeld/M. Richter
Sie organisieren die Auftaktkonferenz der neuen ZiF-Forschungsgruppe (v.li.): PD Dr. Alexandra Scheele, Prof’in Dr. Heidemarie Winkel, Prof’in Dr. Julia Roth und Anna Efremowa. Foto: Universität Bielefeld/M. Richter
„In den letzten Jahren konnten wir beobachten, wie verschiedene Gruppierungen in unterschiedlichen politischen und gesellschaftlichen Kontexten Maßnahmen zur Gleichstellung der Geschlechter in Frage stellen“, erklärt die Soziologin Privatdozentin Dr. Alexandra Scheele von der Universität Bielefeld. „Dabei wird ‚Gender‘ als Ideologie bezeichnet und es werden Forderungen nach Geschlechterrechten diskreditiert. Es ist wichtig, diese Auseinandersetzungen im Kontext von gesellschaftlichem Wandel, sozialen und ökonomischen Krisen und Verunsicherungen zu dechiffrieren und insbesondere auch eine globale Perspektive einzunehmen.“ 

Alexandra Scheele leitet zusammen mit ihren Bielefelder Kolleginnen Professorin Dr. Julia Roth (American Studies und Gender Studies) und Professorin Dr. Heidemarie Winkel (Soziologie) die ZiF-Forschungsgruppe „Global Contestations of Womens‘ and Gender Rights“ („Weltweite Anfechtungen von Frauen- und Geschlechterrechten, die die Tagung organisiert. Dass Gleichstellung als Ziel vermehrt angezweifelt wird, zeige sich besonders deutlich in den erneut aufflammenden Debatten um Abtreibungsrechte, die Ehe für alle, sexuelle Früherziehung oder in den Anfeindungen gegenüber Feministinnen und Gender Studies.

Auf der internationalen Tagung wird die Forschungsgruppe unterschiedliche Erklärungsansätze für diese Entwicklung zur Diskussion stellen, die sie in den vergangenen Monaten am ZiF erarbeitet hat. „Dabei geht es um die Reflektion zentraler Perspektiven wie Intersektionalität oder Universalismus, die Analyse des globalen Kapitalismus als Krisenherd, die Auseinandersetzung mit hegemonialen Wissensproduktionen, etwa auch in religiösen Kontexten, sowie die Infragestellung von globalen Normativitäten“, erklärt Co-Leiterin Julia Roth.

Dazu gehören konkrete Themen wie globale Krisen und ihre Folgen für Staaten, Märkte oder Familien und konzeptuelle Überlegungen zu grundlegenden Begriffen der internationalen Genderforschung und dazu, wie Vorstellungen des Normalen entstehen. „Uns liegt besonders daran, eine internationale und vergleichende Perspektive zu entwickeln, um einerseits die Konflikte und Angriffe auf Frauen- und Geschlechterrechte besser verstehen zu können, andererseits aber auch vermeintliche Grenzziehungen zu überwinden und Gemeinsamkeiten in den Auseinandersetzungen um Recht, Anerkennung und Umverteilung zu identifizieren“, sagt Co-Leiterin Heidemarie Winkel. 

Gerahmt wird die Konferenz von zwei Keynote- Vorträgen: Die Soziologin Professorin Dr. Manuela Boatcă (Universität Freiburg) eröffnet die Konferenz am Mittwoch mit dem Vortrag „Gendering Global Entanglements – Decolonializing Inequalities“, („Globale Verflechtungen aus der Perspektive der Gender-Forschung betrachten – Ungleichheiten dekolonialisieren“), die Bundesverfassungsrichterin Professorin Dr. Susanne Baer (Karlsruhe und Humboldt-Universität zu Berlin) reflektiert zum Abschluss „Gendered Normativities: The Role and Rule of Law“ („Normativität und Geschlechtergerechtigkeit: Die Bedeutung der Gesetze und der Rechtstaatlichkeit“).

Am Vorabend der Tagung, am 23. März um 18 Uhr, präsentieren die Kulturwissenschaftlerin Professorin Dr. Gabriele Dietze (Berlin) und Julia Roth gemeinsam mit der Politikwissenschaftlerin Professorin Dr. Birgit Sauer (Wien) ihr Buch „Right-Wing Populism and Gender. European Perspectives and Beyond“, („Rechtsorientierter Populismus und Geschlecht. Europäische Perspektiven und darüber hinaus“) das im letzten Jahr im Bielefelder Transcript Verlag erschienen ist. 

Für Interessierte ist eine Online-Teilnahme an der Tagung möglich. Dazu wird um Anmeldung im ZiF-Tagungsbüro bei karin.matzke@uni-bielefeld.de gebeten. Journalist*innen sind herzlich eingeladen, über die Tagung zu berichten. Die Tagungssprache ist Englisch. 

Weitere Informationen:
Website der Tagung

Kontakt:
Karin Matzke, Universität Bielefeld
Zentrum für interdisziplinäre Forschung (ZiF)
Telefon: 0521 106-2793
E-Mail: karin.matzke@uni-bielefeld.de

Sonderforschungsbereich „Praktiken des Vergleichens“ verlängert (Nr. 88/2020)

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Deutsche Forschungsgemeinschaft fördert Verbund mit 11,9 Millionen Euro

Der Sonderforschungsbereich „Praktiken des Vergleichens: Die Welt ordnen und verändern“ (SFB 1288) der Universität Bielefeld wird von der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG) ab Januar 2021 für weitere vier Jahre gefördert. Die DFG hat heute (27.11.2020) bekannt gegeben, die Laufzeit des interdisziplinären Forschungsverbunds zu verlängern. Für die zweite Förderperiode wurden 11,9 Millionen Euro bewilligt. „Das ist ein großartiger Erfolg, der die Arbeit der SFB-Mitglieder der vergangenen vier Jahre belohnt“, sagt Professor Dr.-Ing. Gerhard Sagerer, Rektor der Universität Bielefeld.

SFB-Sprecherin Prof’in Dr. Angelika Epple: „Vergleiche sind omnipräsent – im SFB erforschen wir, wie sich die Welt verändert, wenn wir vergleichen.“ Foto: Universität Bielefeld/S. Jonek
SFB-Sprecherin Prof’in Dr. Angelika Epple: „Vergleiche sind omnipräsent – im SFB erforschen wir, wie sich die Welt verändert, wenn wir vergleichen.“ Foto: Universität Bielefeld/S. Jonek
Der im Januar 2017 eingerichtete SFB beschäftigt sich mit den historisch variablen Praktiken des Vergleichens. „Wie bedeutend die Arbeit des Sonderforschungsbereichs ist, ließ sich in den vergangenen Monaten sehr gut nachzuvollziehen“, so Sagerer.  „Denn wer die Diskussionen um die Covid-19-Pandemie und die US-Wahlen verfolgt hat, weiß, wie allgegenwärtig Vergleiche im öffentlichen Raum sind.“ 

Vergleichen ist eine Alltagspraxis und gleichermaßen eine wissenschaftliche Methode in fast allen Disziplinen. Das Vergleichen ist dabei keineswegs eine unschuldige oder gar neutrale Tätigkeit. „Wir holen das ans Tageslicht, was beim Vergleichen häufig verborgen bleibt, aber das Vergleichen zu einer hochspannenden, wirkungsvollen und manchmal auch gefährlichen Tätigkeit macht“, sagt die SFB-Sprecherin Professorin Dr. Angelika Epple. „Wir analysieren, was Akteur*innen tun, wenn sie Gegenstände vergleichbar machen und in eine komparative, häufig wertende Beziehung setzen. Unser Spektrum reicht von der Untersuchung rassistischer Vergleichspraktiken bis hin zu Vergleichspraktiken bei der Nobelpreisverleihung durch die Schwedische Akademie, von der Antike bis in die Gegenwart.“

Der SFB 1288 ist ein interdisziplinärer Forschungsverbund von rund 50 Wissenschaftler*innen aus den Fachbereichen Geschichtswissenschaft, Germanistik, Kunstgeschichte, Romanistik, Philosophie, Rechts- und Politikwissenschaft sowie den Interamerikanischen Studien. Das langfristige Forschungsziel ist, die Praktiken des Vergleichens präzise beschreibbar zu machen, ebenso die ordnende und verändernde Kraft des Vergleichens, aber auch die unterschiedlichen Hindernisse, die Vergleiche erschweren. 

Mit der Bewilligung der DFG kann nun weitere vier Jahre an der Universität Bielefeld zum Thema „Praktiken des Vergleichens“ geforscht werden. „In der neuen Förderphase möchten wir mit unserer Forschung auch eine neue Art und Weise des Nachdenkens über Geschichte, Gesellschaften und den historischen Wandel anstoßen und somit weiterverfolgen, was wir bereits seit 2017 tun“, so Epple. „Unser Ziel ist, ein Bewusstsein dafür zu schaffen, dass die Praxis des Vergleichens nur vermeintlich objektiv oder unschuldig ist. Denn: Auf welcher Grundlage treffen wir unsere vergleichenden Werturteile? Wir neutral kann das Vergleichen wirklich sein?“

Vier Sonderforschungsbereiche an der Universität Bielefeld
Durch die Verlängerung des SFB „Praktiken des Vergleichens: Die Welt ordnen und verändern“ gibt es nun weiterhin vier Sonderforschungsbereiche an der Universität Bielefeld. Der SFB 1283 erforscht den Zufall aus mathematischer Sicht. Die Physiker*innen im Transregio-Sonderforschungsbereich (SFB-TRR) 211 untersuchen die Wechselwirkungen von Materie unter extremen Bedingungen (Verbund mit der Goethe-Universität Frankfurt und der Technischen Universität Darmstadt). Warum Tiere ganz individuell ihre eigene, unverwechselbare Nische im Ökosystem wählen, wird im SFB/TRR 212 erforscht.

Sonderforschungsbereiche (SFB) sind langfristig angelegte Forschungseinrichtungen der Universitäten, in denen Wissenschaftler*innen im Rahmen eines fächerübergreifenden Forschungsprogramms zusammenarbeiten. Sie werden von der DFG finanziert und ermöglichen die Bearbeitung anspruchsvoller, aufwendiger und langfristig konzipierter Forschungsvorhaben. Die Dauer der Förderung beträgt im Idealfall zwölf Jahre, wobei eine Förderperiode vier Jahre umfasst.

Weitere Informationen:

  • DFG-Pressemitteilung zur Verlängerung des Sonderforschungsbereichs
  • Website des SFB 1288
  • Podcast „Praktisch Theoretisch“ zum SFB
Kontakt:
Sabrina Timmer, Universität Bielefeld
Geschäftsführung des SFB 1288
Telefon: 0521 106-67381

Vielfalt gestalten: Universität Bielefeld erfolgreich im Diversity Audit (Nr. 17/2021)

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Angelika Epple: „Talente bestmöglich entfalten, ohne an den Strukturen zu scheitern“

Nach einem zweijährigen intensiven Auditierungsverfahren verlieh der Stifterverband für die deutsche Wissenschaft jetzt (09.03.2021) der Universität Bielefeld das Zertifikat „Vielfalt gestalten“. Damit würdigt der Stifterverband das Engagement der Universität auf dem Weg zu einer diskriminierungskritischen Organisationskultur. Professorin Dr. Angelika Epple, die Prorektorin für Internationales und Diversität, nahm das Zertifikat im Rahmen einer digitalen Feierstunde entgegen.

SFB-Sprecherin Prof’in Dr. Angelika Epple: „Vergleiche sind omnipräsent – im SFB erforschen wir, wie sich die Welt verändert, wenn wir vergleichen.“ Foto: Universität Bielefeld/S. Jonek
Prof’in Dr. Angelika Epple hat als zuständige Prorektorin das Audit begleitet.
Foto: Universität Bielefeld/S. Jonek

Die Prorektorin erläutert den Hintergrund des Audits: „Wir wollen verstehen, auf welche Weise etwa bestehende Barrieren abgebaut werden können oder was die unterschiedlichen Personen benötigen. Nur so können sie ihre persönlichen Talente bestmöglich entfalten, ohne an den Strukturen zu scheitern.“

Die Ergebnisliste des Audits ist lang und vielfältig: Ein Aktionsplan Barrierefreiheit zum Beispiel enthält unter anderem eine Checkliste für barrierefreie Veranstaltungen und ein Online-Tool zur Prüfung der Barrierefreiheit von Lehrmaterial. Speziell für Lehramtsstudierende wird es künftig ein Studienband „Diversität, Heterogenität, Inklusion“ als Vertiefungsbereich des Studiums geben, mit dem sie einen Schwerpunkt setzen und sich gezielt in diesem Themenfeld fortbilden können. Darüber hinaus wurde eine Fortbildung für diversitätssensible Nachwuchsförderung konzipiert. Eine neue Beratungslandkarte weist den Weg zu verschiedenen Angeboten im Bereich Diversität. Des Weiteren wurde ein Vorschlag für den Aufbau einer Kommission gegen Diskriminierung entwickelt. Die Ergebnisse werden jetzt, je nach Thema, an unterschiedlichen Stellen der Universität weiter verfolgt: zum Beispiel in der Zentralen Anlaufstelle Barrierefrei (ZAB), in der Bielefeld School of Education (BiSEd) und auch in der Personalentwicklung.

Die Auditorin Dr. Daniela de Ridder lobte, dass es der Universität Bielefeld besonders gelungen sei, vielfältige Perspektiven in den Auditierungsprozess einzubinden: Studierende, Lehrende, Forschende und Mitarbeitende aus Technik und Verwaltung, mehrere Prorektorate und ein breites Spektrum an universitätsinternen Gruppen und Initiativen haben im Audit mitgewirkt. Ausgangspunkt für die Entwicklung von Strategien und Maßnahmen waren die Menschen, die an der Universität Bielefeld studieren und arbeiten und ihre vielfältigen Hintergründe. So sind beispielsweise etliche Studierende in einem nicht-akademischem Elternhaus aufgewachsen, haben Migrationsgeschichte, betreuen Kinder oder pflegen Angehörige, oder haben eine Behinderung. Dies sind nur einige der vielen Facetten, die beim Thema Diversität zum Tragen kommen und sollen systematisch Berücksichtigung finden.

„Dabei ist Diversität nicht etwas, das man einfach beschließen oder verordnen kann“, so Epple, „Der Prozess, der Austausch darüber ist der Kern der Diversitätsarbeit.“ Das „Leitbild Diversität“ bleibe über das Auditierungsverfahren hinaus eine Verpflichtung: Die Universität bekennt sich dort zu einem explizit positiven Verständnis von Diversität und versteht dies auch gerade in Zeiten, in denen antidemokratische Strömungen an Raum gewinnen, als Stärke und Auftrag, sich für eine offene und vielfältige Gesellschaft einzusetzen. „Der Abschluss des Audits ist daher erst eine Etappe auf dem Weg, den die Universität Bielefeld als eine diversitätssensible Hochschule gehen will“, so Epple.

Das Zertifikat ist drei Jahre gültig.

Informationen des Stifterverbands zum Diversity Audit:
https://www.stifterverband.org/diversity-audit

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